Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Weigerung, eine Frau als Köchin bei der Königlichen Marineinfanterie (Royal Marines) einzustellen
Beteiligte
Secretary of State for Defence |
Tenor
1. Entscheidungen der Mitgliedstaaten, die den Zugang zur Beschäftigung, die Berufsbildung und die Arbeitsbedingungen in den Streitkräften betreffen und zur Gewährleistung der Kampfkraft erlassen worden sind, sind nicht allgemein vom Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts ausgenommen.
2. Der Ausschluß von Frauen vom Dienst in speziellen Kampfeinheiten wie den Royal Marines kann aufgrund der Art und der Bedingungen der Ausübung der betreffenden Tätigkeiten nach Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen gerechtfertigt sein.
Tatbestand
In der Rechtssache C-273/97
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom Industrial Tribunal Bury St Edmunds (Vereinigtes Königreich) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Angela Maria Sirdar
gegen
The Army Board,
Secretary of State for Defence
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des EG-Vertrags, insbesondere Artikel 224 (jetzt Artikel 297 EG), und der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40), insbesondere Artikel 2,
erläßt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten J. C. Moitinho de Almeida, D. A. O. Edward und R. Schintgen sowie der Richter P. J. G. Kapteyn, J.-P. Puissochet (Berichterstatter), G. Hirsch, P. Jann und H. Ragnemalm
Generalanwalt: A. La Pergola
Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- von Frau Sirdar, vertreten durch P. Duffy, QC, und Barrister D. Rose, beauftragt von Solicitor H. Slater, The Equal Opportunities Commission,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. E. Collins, Assistant Treasury Solicitor, als Bevollmächtigten im Beistand von R. Plender, QC, und der Barrister S. Richards und R. McManus,
- der französischen Regierung, vertreten durch K. Rispal-Bellanger, Abteilungsleiterin für Internationales Wirtschaftsrecht und Gemeinschaftsrecht in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, und A. de Bourgoing, Chargé de mission in derselben Direktion, als Bevollmächtigte,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes, Direktor des Juristischen Dienstes der Generaldirektion für die Europäischen Gemeinschaften des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, und Â. Seiça Neves, Angehöriger desselben Dienstes, als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch die Rechtsberater P. J. Kuijper und M. Wolfcarius als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Frau Sirdar, vertreten durch P. Duffy und D. Rose, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. E. Collins im Beistand von R. Cranston, QC, und R. Plender, der französischen Regierung, vertreten durch A. de Bourgoing, und der Kommission, vertreten durch P. J. Kuijper, in der Sitzung vom 27. Oktober 1998,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Mai 1999,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1.
Das Industrial Tribunal Bury St Edmunds hat mit Entscheidung vom 28. April 1997, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Juli 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) sechs Fragen nach der Auslegung dieses Vertrages, insbesondere Artikel 224 (jetzt Artikel 297 EG), und der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40; im folgenden: Richtlinie), insbesondere Artikel 2, zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Fragen stellen sich im Rahmen eines Rechtsstreits, den Frau Sirdar gegen The Army Board und den Secretary of State for Defence wegen der Weigerung angestrengt hat, sie als Köchin bei der Königlichen Marineinfanterie (Royal Marines) einzustellen.
Rechtlicher Rahmen
3.
Artikel 224 des Vertrages hat folgenden Wortlaut:
„Die Mitgliedstaaten setzen sich miteinander ins Benehmen, um durch gemeinsames Vorgehen zu verhindern, daß das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes durch Maßnahmen beeinträchtigt wird, die ein Mitgliedstaat bei einer schwerwiegenden innerstaatlichen Störung der öffentlichen Ordn...