Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Eilvorabentscheidungsverfahren. Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen. Europäischer Haftbefehl. Ersuchen um Zustimmung zur Strafverfolgung wegen anderer Straftaten als derjenigen, die der Übergabe zugrunde lagen. Ersuchen um Zustimmung zu einer weiteren Übergabe der betroffenen Person an einen anderen Mitgliedstaat. Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz. Recht der betroffenen Person auf Anhörung durch die vollstreckende Justizbehörde. Modalitäten

 

Normenkette

Rahmenbeschluss 2002/584/JI Art. 27 Abs. 3 Buchst. g, Abs. 4; Rahmenbeschluss 2002/584/JI Art. 27 Art. 28 Abs. 3; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 47

 

Beteiligte

Openbaar Ministerie

Openbaar Ministerie

 

Tenor

Art. 27 Abs. 3 Buchst. g und Abs. 4 sowie Art. 28 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 geänderten Fassung sind im Licht des durch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährleisteten Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz dahin auszulegen, dass eine Person, die der ausstellenden Justizbehörde in Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls übergeben worden ist, ein Recht auf Anhörung durch die vollstreckende Justizbehörde hat, wenn letztere Behörde von der ausstellenden Justizbehörde mit einem Ersuchen um Zustimmung im Sinne der genannten Bestimmungen dieses Rahmenbeschlusses befasst wird. Diese Anhörung kann im Ausstellungsmitgliedstaat stattfinden, wobei dessen Justizbehörden in diesem Fall darauf zu achten haben, dass das Anhörungsrecht der betroffenen Person auch ohne direkte Beteiligung der vollstreckenden Justizbehörde sachdienlich und wirksam ausgeübt werden kann. Die vollstreckende Justizbehörde muss sich jedoch vergewissern, dass sie über ausreichende Informationen, insbesondere zum Standpunkt der betroffenen Person, verfügt, um ihre Entscheidung über das gemäß Art. 27 Abs. 4 oder Art. 28 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584 ergangene Ersuchen um Zustimmung in voller Kenntnis der Sachlage und unter vollständiger Wahrung der Verteidigungsrechte der betroffenen Person zu treffen. Gegebenenfalls muss sie die ausstellende Justizbehörde um unverzügliche Übermittlung zusätzlicher Informationen bitten.

 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend zwei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Rechtbank Amsterdam (Bezirksgericht Amsterdam, Niederlande) mit Entscheidungen vom 14. Juli 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Juli 2021, in den Verfahren betreffend die Vollstreckung der Europäischen Haftbefehle gegen

HM (C-428/21 PPU),

TZ (C-429/21 PPU),

Beteiligter:

Openbaar Ministerie,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer sowie der Richter S. Rodin, N. Jääskinen (Berichterstatter), J.-C. Bonichot und M. Safjan,

Generalanwalt: A. Rantos,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. September 2021,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • des Openbaar Ministerie, vertreten durch C. McGivern und K. van der Schaft,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman, C. S. Schillemans und J. Langer als Bevollmächtigte,
  • Irlands, vertreten durch M. Lane als Bevollmächtigte im Beistand von G. Mullan, BL,
  • der französischen Regierung, vertreten durch A. Daniel als Bevollmächtigte,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch S. Grünheid, M. Wasmeier und W. Wils als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Oktober 2021

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 27 Abs. 3 Buchst. g und Abs. 4 sowie Art. 28 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. 2002, L 190, S. 1) in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 (ABl. 2009, L 81, S. 24) geänderten Fassung (im Folgenden: Rahmenbeschluss 2002/584) und von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

Rz. 2

Diese Ersuchen ergehen im Rahmen der in den Niederlanden erfolgenden Vollstreckung zweier Europäischer Haftbefehle, die in der Rechtssache C-428/21 PPU von den ungarischen Justizbehörden gegen HM, einen Drittstaatsangehörigen, und in der Rechtssache C-429/21 PPU von den belgischen Justizbehörden gegen TZ, einen niederländischen Staatsangehörigen, ausgestellt wurden. Sie beziehen sich jeweils auf ein Ersuchen um Zustimmung, das diese Justizbehörden gemäß Art. 27 Abs. 4 bzw. Art. 28 Abs. 3 des Rahmenbesc...

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