Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbliches und kommerzielles Eigentum. Richtlinie 98/71/EG. Rechtlicher Schutz von Mustern und Modellen. Art. 17. Verpflichtung der Kumulierung des Schutzes von Mustern und Modellen mit dem Schutz des Urheberrechts. Nationale Rechtsvorschriften, wonach für einen bestimmten Zeitraum der urheberrechtliche Schutz für vor ihrem Inkrafttreten gemeinfrei gewordene Muster oder Modelle ausgeschlossen oder nicht einwendbar ist. Grundsatz des Vertrauensschutzes

 

Beteiligte

Flos

Flos SpA

Semeraro Casa e Famiglia SpA

 

Tenor

1. Art. 17 der Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen ist dahin auszulegen, dass er einer gesetzlichen Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der vom urheberrechtlichen Schutz dieses Mitgliedstaats Muster ausgeschlossen sind, die durch ein in einem oder mit Wirkung für einen Mitgliedstaat eingetragenes Recht an einem Muster geschützt waren und die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser gesetzlichen Regelung gemeinfrei geworden sind, obwohl sie alle Bedingungen erfüllen, die erforderlich sind, um diesen Schutz in Anspruch zu nehmen.

2. Art. 17 der Richtlinie 98/71 ist dahin auszulegen, dass er einer gesetzlichen Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der der Urheberrechtsschutz für Muster, die, obwohl sie alle Bedingungen erfüllen, die erforderlich sind, um diesen Schutz in Anspruch zu nehmen, vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser gesetzlichen Regelung gemeinfrei geworden sind, gegenüber jedem Dritten, der im Inland nach diesen Mustern gefertigte Waren hergestellt oder vertrieben hat, für einen erheblichen Zeitraum von zehn Jahren oder vollständig ausgeschlossen ist, und zwar unabhängig von dem Zeitpunkt, an dem diese Handlungen vorgenommen wurden.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Tribunale di Milano (Italien) mit Entscheidung vom 12. März 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Mai 2009, in dem Verfahren

Flos SpA

gegen

Semeraro Casa e Famiglia SpA,

Beteiligte:

Assoluce – Associazione nazionale delle Imprese degli Apparecchi di Illuminazione,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues sowie der Richter A. Arabadjiev, A. Rosas, U. Lõhmus (Berichterstatter) und A. Ó Caoimh,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. April 2010,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Flos SpA, vertreten durch G. Casucci und N. Ferretti, avvocati,
  • der Semeraro Casa e Famiglia SpA, vertreten durch G. Floridia und F. Polettini, avvocati,
  • der Assoluce – Associazione nazionale delle Imprese degli Apparecchi di Illuminazione, vertreten durch C. Galli, M. Bogni und C. Paschi, avvocati,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Krämer und S. La Pergola als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. Juni 2010

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 17 und 19 der Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (ABl. L 289, S. 28).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Flos SpA (im Folgenden: Flos), die Design-Beleuchtungskörper herstellt, und der Semeraro Casa e Famiglia SpA (im Folgenden: Semeraro) wegen Verletzung von Urheberrechten, die Flos an einem Lampenmodell mit dem Namen „Arco” geltend macht.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 93/98/EWG

Rz. 3

Im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 93/98/EWG des Rates vom 29. Oktober 1993 zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte (ABl. L 290, S. 9) wird ausgeführt, dass die geltenden einzelstaatlichen Vorschriften über die Schutzdauer des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte Unterschiede aufweisen, die den freien Warenverkehr sowie den freien Dienstleistungsverkehr behindern und die Wettbewerbsbedingungen im Gemeinsamen Markt verfälschen können, und dass es daher im Hinblick auf das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist, die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zu harmonisieren, damit in der gesamten Europäischen Union dieselbe Schutzdauer gilt.

Rz. 4

Nach Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie umfasst der urheberrechtliche Schutz an einem Werk der Literatur und Kunst im Sinne des Art. 2 der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Akte von Paris vom 24. Juli 1971) in der Fassung aufgrund der Änderung vom 28. September 1979 die Dauer des Lebens des Urhebers dieses Werkes und 70 Jahre nach seinem Tod.

Rz. 5

Art. 10 („Zeitliche Anwendbarkeit”) der Ri...

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