Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Verbot jeder Diskriminierung wegen des Alters Besoldung der Beamten. Diskriminierendes Besoldungssystem. Auf der Grundlage einer früheren diskriminierenden Einstufung berechnete Besoldungsnachzahlung. Neue Diskriminierung. Entschädigung wegen diskriminierender Rechtsvorschriften. Ausschlussfrist für die Stellung eines Antrags auf Entschädigung. Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität”
Normenkette
Richtlinie 2000/78/EG Art. 2, 6, 9
Beteiligte
Land Sachsen-Anhalt () und juges) |
Tenor
1. Die Art. 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass sie einer Maßnahme nicht entgegenstehen, mit der Beamten und Richtern im Hinblick auf die Gewährleistung einer angemessenen Vergütung eine Besoldungsnachzahlung in Höhe eines Prozentsatzes des Grundgehalts gewährt wird, das sie zuvor u. a. gemäß einer für die jeweilige Besoldungsgruppe bei ihrer Einstellung nach ihrem Lebensalter bestimmten Grundgehaltsstufe bezogen haben, soweit eine solche Maßnahme erforderlich ist, um unter Umständen, die insbesondere sowohl durch eine hohe Zahl von betroffenen Beamten und Richtern als auch durch das Fehlen eines gültigen Bezugssystems gekennzeichnet sind, den Schutz erworbener Rechte zu gewährleisten, und soweit sie nicht dazu führt, eine Ungleichbehandlung wegen des Alters zeitlich unbegrenzt zu erhalten.
2. Der Effektivitätsgrundsatz ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verbietet, den Beginn einer Ausschlussfrist von zwei Monaten für die Stellung eines Antrags auf Ersatz des Schadens, der aus einer Maßnahme entstanden ist, die eine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, auf den Tag der Verkündung eines Urteils des Gerichtshofs festzusetzen, mit dem der diskriminierende Charakter einer ähnlichen Regelung festgestellt wurde, wenn die Gefahr besteht, dass die Betroffenen nicht innerhalb der Frist erkennen können, dass oder in welchem Umfang sie diskriminiert wurden. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn in dem betreffenden Mitgliedstaat Uneinigkeit über die Frage besteht, ob dieses Urteil auf die betreffende Maßnahme übertragbar ist.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend drei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgericht Halle (Deutschland) mit Entscheidungen vom 15. August 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Dezember 2018, in den Verfahren
TK (C-773/18),
UL (C-774/18),
VM (C-775/18)
gegen
Land Sachsen-Anhalt
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer A. Arabadjiev (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Siebten Kammer sowie der Richter T. von Danwitz und A. Kumin,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Landes Sachsen-Anhalt, vertreten durch J. Barone als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Valero, B.-R. Killmann und T. Maxian Rusche als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssachen zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 2, 6, 9 und 17 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16) und von Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).
Rz. 2
Sie ergehen im Rahmen von drei Rechtsstreitigkeiten zwischen TK (C-773/18), UL (C-774/18) und VM (C-775/18) auf der einen und dem Land Sachsen-Anhalt (Deutschland) auf der anderen Seite wegen Entschädigung wegen Altersdiskriminierung, die sie bei ihrer Einstufung in Grundgehaltsstufen anlässlich ihrer Einstellung als Richter oder Beamter dieses Landes erlitten haben sollen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Gemäß Art. 1 der Richtlinie 2000/78 bezweckt diese „die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten”.
Rz. 4
Art. 2 der Richtlinie 2000/78 sieht vor:
„(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz’, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.
(2) Im Sinne des Absatzes 1
- liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günst...