Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Kartelle. Europäische Märkte für Zinnstabilisatoren und für ESBO/Ester-Wärmestabilisatoren. Festsetzung von Preisen, Aufteilung der Märkte und Austausch sensibler Geschäftsinformationen. Zurechnung des rechtswidrigen Verhaltens von Tochtergesellschaften an die Muttergesellschaft. Verfolgungsverjährung gegenüber den Tochtergesellschaften. Auswirkungen auf die rechtliche Situation der Muttergesellschaft
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 1/2003 Art. 25 Abs. 1
Beteiligte
Akzo Nobel u.a. / Kommission |
Akzo Nobel Chemicals GmbH |
Tenor
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die Akzo Nobel NV, die Akzo Nobel Chemicals GmbH und die Akzo Nobel Chemicals BV tragen die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 24. September 2015,
Akzo Nobel NV mit Sitz in Amsterdam (Niederlande),
Akzo Nobel Chemicals GmbH mit Sitz in Düren (Deutschland),
Akzo Nobel Chemicals BV mit Sitz in Amersfoort (Niederlande),
vertreten durch C. Swaak und R. Wesseling, advocaten,
Rechtsmittelführerinnen,
andere Parteien des Verfahrens:
Akcros Chemicals Ltd mit Sitz in Warwickshire (Vereinigtes Königreich),
Klägerin im ersten Rechtszug,
Europäische Kommission, vertreten durch V. Bottka und P. Rossi als Bevollmächtigte,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça (Berichterstatter), der Richterin M. Berger sowie der Richter A. Borg Barthet, E. Levits und F. Biltgen,
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. Dezember 2016,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Akzo Nobel NV, die Akzo Nobel Chemicals GmbH und die Akzo Nobel Chemicals BV die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 15. Juli 2015, Akzo Nobel u. a./Kommission (T-47/10, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2015:506), mit dem das Gericht ihrer auf Nichtigerklärung der Entscheidung K(2009) 8682 endg. der Kommission vom 11. November 2009 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/38589 – Wärmestabilisatoren) (im Folgenden: streitige Entscheidung), hilfsweise auf Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbußen gerichteten Klage nur teilweise stattgegeben hat.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 2
Art. 7 („Feststellung und Abstellung von Zuwiderhandlungen”) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) bestimmt in Abs. 1:
„Stellt die Kommission auf eine Beschwerde hin oder von Amts wegen eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 oder Artikel 82 [EG] fest, so kann sie die beteiligten Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung verpflichten, die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen. … Soweit die Kommission ein berechtigtes Interesse hat, kann sie auch eine Zuwiderhandlung feststellen, nachdem diese beendet ist.”
Rz. 3
Art. 23 („Geldbußen”) dieser Verordnung bestimmt in Abs. 2:
„Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig
a) gegen Artikel 81 oder Artikel 82 [EG] verstoßen …
…”
Rz. 4
Art. 25 („Verfolgungsverjährung”) dieser Verordnung sieht in den Abs. 1 bis 3 vor:
„(1) Die Befugnis der Kommission nach [Artikel 23] verjährt
- in drei Jahren bei Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften über die Einholung von Auskünften oder die Vornahme von Nachprüfungen,
- in fünf Jahren bei den übrigen Zuwiderhandlungen.
(2) Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Tag, an dem die Zuwiderhandlung begangen worden ist. Bei dauernden oder fortgesetzten Zuwiderhandlungen beginnt die Verjährung jedoch erst mit dem Tag, an dem die Zuwiderhandlung beendet ist.
(3) Die Verjährung der Befugnis zur Festsetzung von Geldbußen oder Zwangsgeldern wird durch jede auf Ermittlung oder Verfolgung der Zuwiderhandlung gerichtete Handlung der Kommission oder der Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats unterbrochen. …”
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Rz. 5
Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 1 bis 50 des angefochtenen Urteils dargestellt. Zum besseren Verständnis der vorliegenden Rechtssache ist auf Folgendes hinzuweisen:
Rz. 6
Mit der streitigen Entscheidung legt die Kommission einer Reihe von Unternehmen zur Last, gegen Art. 81 EG und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3) verstoßen zu haben, indem sie sich an zwei Komplexen wettbewerbswidriger Vereinbarungen und abgestimmter Verhaltensweisen im Europäischen Wirtschaftsraum, zum einen im Bereich Zinnstabilisatoren und zum anderen im Bereich Epoxid-Sojaöle und Ester (im Folgenden: ESBO/Ester), beteiligt h...