Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel. Vitamine und Mineralstoffe, die bei der Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln verwendet werden dürfen. Höchstmengen. Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Nationale Regelung zur Festsetzung dieser Mengen. Gegenseitige Anerkennung. Fehlen. Bei der Festsetzung der Mengen zu erfüllende Anforderungen und zu berücksichtigende Kriterien
Normenkette
Richtlinie 2002/46/EG
Beteiligte
Tenor
1. Die Bestimmungen der Richtlinie 2002/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel und die des AEU-Vertrags über den freien Warenverkehr sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegenstehen, die für Nahrungsergänzungsmittel, deren Nährstoffgehalt die in dieser Regelung festgelegten Tageshöchstdosen überschreitet und die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt oder vermarktet werden, kein Verfahren für das Inverkehrbringen im erstgenannten Mitgliedstaat vorsieht.
2. Die Bestimmungen der Richtlinie 2002/46 und die des AEU-Vertrags über den freien Warenverkehr sind dahin auszulegen, dass die Höchstmengen im Sinne von Art. 5 dieser Richtlinie im Einzelfall und unter Berücksichtigung sämtlicher in Art. 5 Abs. 1 und 2 genannten Kriterien festzusetzen sind, insbesondere der sicheren Höchstmengen für die betreffenden Nährstoffe, die durch eine nicht auf allgemeine oder hypothetische Erwägungen, sondern auf relevante wissenschaftliche Daten gestützte eingehende wissenschaftliche Bewertung des Risikos für die öffentliche Gesundheit ermittelt werden. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob diese Anforderungen bei der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Methode für die Festsetzung dieser Mengen erfüllt sind.
3. Die Bestimmungen der Richtlinie 2002/46 und die des AEU-Vertrags über den freien Warenverkehr sind dahin auszulegen, dass sie dem entgegenstehen, dass die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie angesprochene wissenschaftliche Risikobewertung, die der Ermittlung der sicheren Höchstmengen, denen u. a. bei der Festsetzung der Höchstmengen gemäß diesem Art. 5 Rechnung zu tragen ist, vorauszugehen hat, allein auf der Grundlage nationaler wissenschaftlicher Gutachten erfolgt, sofern es zum Zeitpunkt der Annahme der betreffenden Maßnahme aktuelle internationale wissenschaftliche Gutachten gibt, aus denen auf die Möglichkeit der Festsetzung höherer Grenzwerte geschlossen werden kann.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal de grande instance de Perpignan (Regionalgericht Perpignan, Frankreich) mit Entscheidung vom 5. August 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Dezember 2015, in dem Strafverfahren gegen
Noria Distribution SARL,
Beteiligte:
Procureur de la République,
Union fédérale des consommateurs des P.O. (Que choisir),
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Regan, J.-C. Bonichot, C. G. Fernlund und S. Rodin,
Generalanwalt: M. Bobek,
Kanzler: A. Calot Escobar,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Noria Distribution SARL, vertreten durch F. Meunier, avocat,
- der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und J. Traband als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braga da Cruz, K. Herbout-Borczak und S. Lejeune als Bevollmächtigte,
- der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch Ø. Bø, L. Biø rnstad und C. Zatschler als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Dezember 2016
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2002/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel (ABl. 2002, L 183, S. 51) und der Vorschriften des AEU-Vertrags über den freien Warenverkehr.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines gegen die Noria Distribution SARL eingeleiteten Strafverfahrens wegen Besitzes, Ausstellung, Angebots zum Verkauf und Verkaufs in Frankreich nicht zugelassener Nahrungsergänzungsmittel, die, wie sie gewusst haben soll, verfälscht, verdorben oder toxisch gewesen sein sollen, und wegen Täuschung oder versuchter Täuschung ihrer Vertragspartner hinsichtlich der mit der Verwendung dieser Nahrungsergänzungsmittel verbundenen Risiken und ihrer wesentlichen Beschaffenheit.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 2 der Richtlinie 2002/46 liest sich wie folgt:
„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
- ‚Nahrungsergänzungsmittel’ Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die normale Ernährung zu ergänzen und die aus Einfach- oder Mehrfachkonzentra...