Entscheidungsstichwort (Thema)

Außenbeziehungen. Assoziationsabkommem EWG-Tschechische Republik. Niederlassungsfreiheit. Tschechische Staatsangehörige, die in einem Mitgliedstaat eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen wollen

 

Beteiligte

Barkoci und Malik

The Queen

Secretary of State for the Home Department

Julius Barkoci und Marcel Malik

 

Tenor

1. Artikel 45 Absatz 3 des Europa-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Tschechischen Republik andererseits, im Namen der Gemeinschaft geschlossen und genehmigt durch den Beschluss 94/910/EG, EGKS, Euratom des Rates und der Kommission vom 19. Dezember 1994, stellt für dessen Geltungsbereich einen klaren und unbedingten Grundsatz auf, der vom nationalen Gericht angewandt werden und deshalb die Rechtslage von Privaten regeln kann. Die unmittelbare Wirkung, die der Bestimmung somit zukommt, bedeutet, dass tschechische Staatsangehörige das Recht haben, sich vor den Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats auf sie zu berufen, auch wenn dieser Mitgliedstaat nach Artikel 59 Absatz 1 des Abkommens die Befugnis behält, auf diese Staatsangehörigen sein nationales Einreise-, Aufenthalts- und Niederlassungsrecht anzuwenden.

2. Das Niederlassungsrecht im Sinne des Artikels 45 Absatz 3 dieses Europa-Abkommens setzt als Nebenrechte ein Einreise- und ein Aufenthaltsrecht der tschechischen Staatsangehörigen voraus, die gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten in einem Mitgliedstaat ausüben wollen. Jedoch ergibt sich aus Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens, dass dieses Einreise- und Aufenthaltsrecht nicht schrankenlos gewährleistet ist, seine Ausübung gegebenenfalls vielmehr durch die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Einreise, denAufenthalt und die Niederlassung tschechischer Staatsangehöriger beschränkt werden kann.

3. Artikel 45 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 59 Absatz 1 dieses Europa-Abkommens steht grundsätzlich einer Regelung vorheriger Kontrolle nicht entgegen, nach der die Erteilung einer Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung durch die Zuwanderungsbehörden voraussetzt, dass der Antragsteller seine wirkliche Absicht nachweist, eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen, ohne zugleich auf eine unselbstständige Beschäftigung oder öffentliche Mittel zurückzugreifen, und dass er von Anfang an über hinreichende Mittel und vernünftige Erfolgsaussichten verfügt. Materielle Anforderungen, wie sie § 212 der United Kingdom Immigration Rules (House of Commons Paper 395) vorsieht, sollen den zuständigen Behörden diese Prüfung erlauben und sind geeignet, dieses Ziel zu erreichen.

4. Nach der Klausel am Ende des Artikels 59 Absatz 1 Satz 1 dieses Europa-Abkommens hat eine Regelung, nach der ein tschechischer Staatsangehöriger vor seiner Abreise in den Aufnahmemitgliedstaat Einreisepapiere erlangen muss, deren Erteilung von der Überprüfung materieller Voraussetzungen abhängt, wie sie § 212 dieser Immigration Rules vorsieht, weder den Zweck noch das Ergebnis, diesem Staatsangehörigen die Ausübung der ihm in Artikel 45 Absatz 3 des Abkommens eingeräumten Rechte unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, sofern die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats das ihnen bei der Behandlung von nach dem Abkommen an der Einreisestelle gestellten Anträgen auf Niederlassung zukommenden Ermessen dahin ausüben, dass dem tschechischen Staatsangehörigen auf einer anderen Grundlage als den Immigration Rules eine Einreisegenehmigung gewährt werden kann, wenn sein Antrag diejenigen materiellen Voraussetzungen klar und offenkundig erfüllt, die angewandt worden wären, wenn er in der Tschechischen Republik ein Einreisepapier beantragt hätte.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-257/99

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Divisional Court), (Vereinigtes Königreich), in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

The Queen

gegen

Secretary of State for the Home Department,

ex parte:

Julius Barkoci und Marcel Malik,

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 45 und 59 des Europa-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Tschechischen Republik andererseits, im Namen der Gemeinschaft geschlossen und genehmigt durch den Beschluss 94/910/EG, EGKS, Euratom des Rates und der Kommission vom 19. Dezember 1994 (ABl. L 360, S. 1)

erlässt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten C. Gulmann, A. La Pergola (Berichterstatter), M. Wathelet und V. Skouris, der Richter D. A. O. Edward, J.-P. Puissochet, P. Jann, L. Sevón und R. Schintgen sowie der Richterin F. Macken,

Generalanwalt: J. Mischo

Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

  • des Klägers Barkoci, vertreten durch N. Blake, QC, und T. Eicke, Barrister, und d...

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