Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verarbeitung personenbezogener Daten und Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation. Öffentliche Teilnehmerverzeichnisse und Telefonauskunftsdienste. Einwilligung des Teilnehmers. Pflichten des Anbieters von Teilnehmerverzeichnissen und Auskunftsdiensten. Recht auf Löschung (‚Recht auf Vergessenwerden’). Informationspflichten und Verantwortung des für die Verarbeitung Verantwortlichen
Normenkette
Richtlinie 2002/58/EG Art. 12; EUVO 679/2016 Art. 17, 5 Abs. 2, Art. 24
Beteiligte
Gegevensbeschermingsautoriteit |
Tenor
1. Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation in der durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Buchst. f dieser Richtlinie und Art. 95 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung)
ist dahin auszulegen, dass
die „Einwilligung” – im Sinne von Art. 4 Nr. 11 der Verordnung 2016/679 – des Teilnehmers eines Telefondienstanbieters erforderlich ist, damit die personenbezogenen Daten dieses Teilnehmers in öffentlich zugänglichen Teilnehmerverzeichnissen und Telefonauskunftsdiensten aufgeführt werden können, die von anderen Anbietern veröffentlicht werden, wobei diese Einwilligung entweder gegenüber dem betreffenden Telefondienstanbieter oder gegenüber einem dieser anderen Anbieter erteilt werden kann.
2. Art. 17 der Verordnung 2016/679
ist dahin auszulegen, dass
der Antrag eines Teilnehmers, seine personenbezogenen Daten aus öffentlich zugänglichen Teilnehmerverzeichnissen und Telefonauskunftsdiensten zu entfernen, eine Ausübung des „Rechts auf Löschung” im Sinne dieses Artikels darstellt.
3. Art. 5 Abs. 2 und Art. 24 der Verordnung 2016/679
sind dahin auszulegen, dass
eine nationale Aufsichtsbehörde verlangen kann, dass ein Anbieter von öffentlich zugänglichen Teilnehmerverzeichnissen und Telefonauskunftsdiensten als Verantwortlicher geeignete technische und organisatorische Maßnahmen ergreift, um weitere Verantwortliche, nämlich den Telefondienstanbieter, der ihm die personenbezogenen Daten seines Teilnehmers übermittelt hat, sowie die anderen Anbieter von öffentlich zugänglichen Teilnehmerverzeichnissen und Telefonauskunftsdiensten, denen er selbst solche Daten geliefert hat, über den Widerruf der Einwilligung dieses Teilnehmers zu informieren.
4. Art. 17 Abs. 2 der Verordnung 2016/679
ist dahin auszulegen, dass
er es einer nationalen Aufsichtsbehörde nicht verwehrt, einen Anbieter von öffentlich zugänglichen Teilnehmerverzeichnissen und Telefonauskunftsdiensten, von dem der Teilnehmer eines Telefondienstanbieters verlangt hat, die ihn betreffenden personenbezogenen Daten nicht mehr zu veröffentlichen, zu verpflichten, „angemessene Maßnahmen” im Sinne dieser Bestimmung zu ergreifen, um Suchmaschinenanbieter über diesen Antrag auf Löschung von Daten zu informieren.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hof van beroep te Brussel (Appellationshof Brüssel, Belgien) mit Entscheidung vom 24. Februar 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 2. März 2021, in dem Verfahren
Proximus NV
gegen
Gegevensbeschermingsautoriteit
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos, der Richterin L. S. Rossi (Berichterstatterin), der Richter J.-C. Bonichot und S. Rodin sowie der Richterin O. Spineanu-Matei,
Generalanwalt: A. M. Collins,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Februar 2022,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Proximus NV, vertreten durch P. Craddock und T. de Haan, Avocats, sowie E. Van Bogget, Advocaat,
- der Gegevensbeschermingsautoriteit, vertreten durch C. Buggenhoudt, E. Cloots und J. Roets, Advocaten,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von E. De Bonis, Avvocato dello Stato,
- der lettischen Regierung, vertreten durch E. Bārdiņš, J. Davidoviča und K. Pommere als Bevollmächtigte,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch P. Barros da Costa, L. Inez Fernandes, M. J. Ramos und C. Vieira Guerra als Bevollmächtigte,
- der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane und L. Liţu als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch S. L. Kalėda, H. Kranenborg und P.-J. Loewenthal als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. April 2022
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 12...