Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialpolitik. Richtlinie 2001/23/EG. Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer. Betriebsübergang. Art. 4 Abs. 2. Wesentliche Änderung der Arbeitsbedingungen bei einem Betriebsübergang. Kollektivvertrag. Beendigung des Arbeitsvertrags durch den Arbeitnehmer. Beendigung, bei der davon auszugehen ist, dass sie durch den Arbeitgeber erfolgt ist. Folgen. Finanzielle Entschädigung durch den Arbeitgeber
Beteiligte
Tenor
Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen ist dahin auszulegen, dass er im Fall einer Beendigung des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses, in dem – unabhängig von einem Verstoß des Erwerbers gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie – die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung erfüllt sind, die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer gegen den Erwerber einen Anspruch auf eine finanzielle Entschädigung zu denselben Bedingungen zu garantieren, wie sie für den Anspruch gelten, der dem Arbeitnehmer zusteht, wenn sein Arbeitgeber den Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis rechtswidrig beendet. Das nationale Gericht hat jedoch im Rahmen seiner Zuständigkeiten sicherzustellen, dass der Erwerber in einem solchen Fall zumindest die Folgen trägt, die das anwendbare nationale Recht an die Beendigung des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber knüpft, wie die Zahlung des Arbeitslohns und die Gewährung anderer Vergünstigungen während der vom Arbeitgeber einzuhaltenden Kündigungsfrist.
Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens unter Berücksichtigung der Auslegung von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2001/23 zu würdigen, wonach die Aufrechterhaltung der Arbeitsbedingungen, die in einem Kollektivvertrag vereinbart sind, der im Zeitpunkt des Betriebsübergangs ausläuft, nicht über diesen Zeitpunkt hinaus garantiert wird.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Korkein oikeus (Finnland) mit Entscheidung vom 24. August 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 27. August 2007, in dem Verfahren
Mirja Juuri
gegen
Fazer Amica Oy
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts sowie der Richter T. von Danwitz, E. Juhász, G. Arestis und J. Malenovský (Berichterstatter),
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der finnischen Regierung, vertreten durch J. Himmanen als Bevollmächtigte,
- der ungarischen Regierung, vertreten durch J. Fazekas, R. Somssich und K. Borvölgyi als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Huttunen und J. Enegren als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 4. September 2008
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. L 82, S. 16).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Juuri und ihrem ehemaligen Arbeitgeber, Fazer Amica Oy (im Folgenden: Amica), wegen dessen Weigerung, Frau Juuri im Anschluss an die Beendigung ihres Arbeitsvertrags nach einem Betriebsübergang verschiedene Entschädigungen zu gewähren.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Rz. 3
Mit der Richtlinie 2001/23 wurde die Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. L 61, S. 26) in der durch die Richtlinie 98/50/EG des Rates vom 29. Juni 1998 (ABl. L 201, S. 88) geänderten Fassung kodifiziert.
Rz. 4
In Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2001/23 heißt es:
„Nach dem Übergang erhält der Erwerber die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen bis zur Kündigung oder zum Ablauf des Kollektivvertrags bzw. bis zum Inkrafttreten oder bis zur Anwendung eines anderen Kollektivvertrags in dem gleichen Maße aufrecht, wie sie in dem Kollektivvertrag für den Veräußerer vorgesehen waren.
…”
Rz. 5
Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie lautet:
„Kommt es zu einer Beendigung des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses, weil der Übergang eine wesentliche Änderung der Arbeitsbedingungen zum Nachteil des Arbeitnehmers zur Folge hat, so ist davon auszugehen, dass die Beendigung des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber erfolgt ist.”
Rz. 6
Dieser Wortlaut stimmt mit dem Wortlaut des Art. 4 Abs....