Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersuchen um Vorabentscheidung: Handelsgericht Wien – Österreich. Auslegung des Artikels 30 EG-Vertrag und der Richtlinie 76/768/EWG des Rates – Kosmetische Mittel – Nationale Rechtsvorschriften, die Beschränkungen für die Werbung vorsehen. Rechtsangleichung – Kosmetische Mittel – Verpackung und Etikettierung – Richtlinie 76/768 – Maßnahmen gegen Werbung für kosmetische Mittel, die Merkmale vortäuscht, die diese Mittel nicht besitzen – Geltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – Regelung, die die Werbung für nicht ausdrücklich aufgeführte Stoffe verbietet – Unzulässigkeit (Richtlinie 76/768 des Rates, Artikel 6 Absatz 3)
Leitsatz (amtlich)
Zwar schreibt Artikel 6 Absatz 3 der Richtlinie 76/768 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel vor, daß die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, daß bei der Etikettierung, der Aufmachung für den Verkauf und der Werbung für kosmetische Mittel nicht Texte, Bezeichnungen, Warenzeichen, Abbildungen und andere bildhafte oder nicht bildhafte Zeichen verwendet werden, die Merkmale vortäuschen, die die betreffenden Erzeugnisse nicht besitzen; jedoch müssen die Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten zur Durchführung dieser Bestimmung zu ergreifen haben, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren.
Diese Bestimmung steht daher der Anwendung einer nationalen Regelung entgegen, wonach für ein bestimmungsgemäß mit Schleimhäuten in Berührung kommendes kosmetisches Mittel dann nicht damit geworben werden darf, daß es die Bildung von Zahnstein und das Entstehen von Parodontose verhindere, wenn in seiner Zusammensetzung keiner der in der Regelung als zur Erreichung dieses Ergebnisses geeignet aufgezählten Wirkstoffe enthalten ist und der Betreffende keine Genehmigung zur Verwendung anderer Stoffe erhalten hat.
Da eine solche Regelung nicht alle Wirkstoffe enthält, die geeignet sind, die Bildung von Zahnstein oder die Entstehung von Parodontose zu verhindern, kann sie nämlich die Werbung für bestimmte Zahncremes verbieten, auch ohne daß diese Werbung für die Verbraucher irreführend wäre, und die Notwendigkeit, eine Genehmigung für eine Ausnahme von diesem Verbot einzuholen, stellt ein Hindernis für den freien Verkehr mit dem betreffenden Erzeugnis dar, das in keiner Weise gerechtfertigt wäre.
Normenkette
Richtlinie 76/768 des Rates Art. 6 Abs. 3
Beteiligte
Österreichische Unilever GmbH |
Smithkline Beecham Markenartikel GmbH |
Tenor
Artikel 6 Absatz 3 der Richtlinie 76/768/EWG des Rates vom 27. Juli 1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel steht der Anwendung einer nationalen Regelung entgegen, wonach für ein bestimmungsgemäß mit Schleimhäuten in Berührung kommendes kosmetisches Mittel dann nicht damit geworben werden darf, daß es die Bildung von Zahnstein und das Entstehen von Parodontose verhindere, wenn in seiner Zusammensetzung keiner der in der Regelung als zur Erreichung dieses Ergebnisses geeignet aufgezählten Wirkstoffe enthalten ist und der Betreffende keine Genehmigung zur Verwendung anderer Stoffe erhalten hat.
Tatbestand
In der Rechtssache C-77/97
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom Handelsgericht Wien (Österreich) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Österreichische Unilever GmbH
gegen
Smithkline Beecham Markenartikel GmbH
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 30 EG-Vertrag und der Richtlinie 76/768/EWG des Rates vom 27. Juli 1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel (ABl. L 262, S. 169)
erläßt
DER GERICHTSHOF
(Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-P. Puissochet sowie der Richter J. C. Moitinho de Almeida (Berichterstatter), C. Gulmann, D. A. O. Edward und M. Wathelet,
Generalanwalt: G. Cosmas
Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der Österreichischen Unilever GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt Ernst Ploil, Wien,
- der Smithkline Beecham Markenartikel GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt Gottfried Korn, Wien,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch Christine Stix-Hackl, Gesandte im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigte,
- der französischen Regierung, vertreten durch Kareen Rispal-Bellanger, Abteilungsleiterin in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, und Régine Loosli-Surrans, Chargé de mission in derselben Direktion, als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königsreichs, vertreten durch Lindsey Nicoll, Treasury Solicitor's Department, als Bevollmächtigte im Beistand von Barrister Mark Hoskins,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Pieter van Nuffel und Claudia Schmidt, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Österreichischen Unilever ...