Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Anwendungsbereich. Zivil- und Handelssachen. Ausgeschlossene Rechtsgebiete. Soziale Sicherheit. Antrag auf Ausstellung der Bescheinigung über die Vollstreckbarkeit der vom Ursprungsgericht erlassenen Entscheidung. Urteil über einen auf Arbeitnehmerentsendung beruhenden Anspruch eines Sozialversicherungsträgers gegen einen Arbeitgeber auf Zuschläge für das Urlaubsentgelt. Ausübung einer rechtsprechenden Tätigkeit durch das angerufene Gericht
Normenkette
Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 Art. 1 Abs. 1-2, Art. 53
Beteiligte
BUAK Bauarbeiter-Urlaubs- u. Abfertigungskasse |
Gradbeništvo Korana d.o.o |
Tenor
Art. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass eine Klage auf Begleichung einer Forderung einer Körperschaft öffentlichen Rechts gegen einen Arbeitgeber betreffend Zuschläge für das Urlaubsentgelt aus Anlass der Entsendung von Arbeitnehmern in einen Mitgliedstaat, in dem die Arbeitnehmer keinen gewöhnlichen Arbeitsort haben, oder im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung in diesem Mitgliedstaat oder gegen einen Arbeitgeber mit Sitz außerhalb des Hoheitsgebiets dieses Mitgliedstaats aus Anlass der Beschäftigung von Arbeitnehmern, die ihren gewöhnlichem Arbeitsort in diesem Mitgliedstaat haben, in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt, soweit die Modalitäten der Erhebung dieser Klage nicht von den allgemeinen Regelungen abweichen und es dem angerufenen Gericht dadurch insbesondere nicht verwehrt wird, die Richtigkeit der Daten, auf denen die Bestimmung dieser Forderung beruht, zu prüfen; es ist Sache des vorlegenden Gerichts, dies zu überprüfen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Arbeits- und Sozialgericht Wien (Österreich) mit Entscheidung vom 28. September 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Oktober 2017, in dem Verfahren
BUAK Bauarbeiter-Urlaubs- u. Abfertigungskasse
gegen
Gradbeništvo Korana d.o.o.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten Kammer, der Richterinnen A. Prechal und C. Toader (Berichterstatterin) sowie der Richter A. Rosas und M. Ilešič,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: M. Aleksejev, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2018,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der BUAK Bauarbeiter-Urlaubs- u. Abfertigungskasse, vertreten durch Rechtsanwältin V. Noss,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Ritzberger-Moser, C. Pesendorfer und J. Schmoll als Bevollmächtigte,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und A. Kasalická als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin und M. Heller als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Oktober 2018
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines von der BUAK Bauarbeiter-Urlaubs- u. Abfertigungskasse (Österreich) (im Folgenden: BUAK) eingeleiteten Verfahrens auf Ausstellung einer Bescheinigung gemäß Art. 53 der Verordnung Nr. 1215/2012 zur Vollstreckung eines gegen die Gradbeništvo Korana d.o.o. (im Folgenden: Korana) mit Sitz in Slowenien ergangenen rechtskräftigen Versäumungsurteils.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 6, 10 und 26 der Verordnung Nr. 1215/2012 lauten:
„(6) Um den angestrebten freien Verkehr der Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu verwirklichen, ist es erforderlich und angemessen, dass die Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen im Wege eines Unionsrechtsakts festgelegt werden, der verbindlich und unmittelbar anwendbar ist.
…
(10) Der sachliche Anwendungsbereich dieser Verordnung sollte sich, von einigen genau festgelegten Rechtsgebieten abgesehen, auf den wesentlichen Teil des Zivil- und Handelsrechts erstrecken; …
…
(26) Das gegenseitige Vertrauen in die Rechtspflege innerhalb der Union rechtfertigt den Grundsatz, dass eine in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung in allen Mitgliedstaaten anerkannt wird, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Außerdem rechtfertigt die angestrebte Reduzierung des Zeit- und Kostenaufwands bei grenzüberschrei...