Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Rechte des geistigen Eigentums. Begriffe ‚Prozesskosten’ und ‚sonstige Kosten’. Abmahnung zur Sicherstellung der außergerichtlichen Durchsetzung eines Rechts des geistigen Eigentums. Anwaltskosten. Einstufung. Nationale Regelung, die den erstattungsfähigen Betrag dieser Kosten unter bestimmten Voraussetzungen beschränkt
Normenkette
Richtlinie 2004/48/EG Art. 14
Beteiligte
Tenor
1. Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums ist dahin auszulegen, dass die Kosten, die einem Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums für seine Vertretung durch einen Beistand im Hinblick auf die außergerichtliche Durchsetzung dieser Rechte entstanden sind, wie z. B. die mit einer Abmahnung verbundenen Kosten, unter den Begriff „sonstige Kosten” im Sinne dieser Bestimmung fallen.
2. Art. 14 der Richtlinie 2004/48 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die vorsieht, dass in einem Fall, in dem die Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums von einer natürlichen Person außerhalb ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit begangen wurde, die Erstattung der „sonstigen Kosten” im Sinne dieser Bestimmung, auf die der Inhaber dieses Rechts Anspruch hat, pauschal auf der Grundlage eines durch diese Regelung begrenzten Streitwerts berechnet wird, sofern nicht das nationale Gericht der Ansicht ist, dass die Anwendung einer solchen Begrenzung unter Berücksichtigung der spezifischen Merkmale des ihm vorgelegten Falles unbillig sei.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Saarbrücken (Deutschland) mit Entscheidung vom 6. Oktober 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Oktober 2020, in dem Verfahren
Koch Media GmbH
gegen
FU
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten I. Jarukaitis sowie der Richter M. Ilešič (Berichterstatter) und D. Gratsias,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Koch Media GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt A. Nourbakhsch,
- der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, M. Hellmann und U. Bartl als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun, T. Scharf und S. L. Kalėda als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. November 2021
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. 2004, L 157, S. 45, berichtigt im ABl. 2004, L 195, S. 16).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Koch Media GmbH und FU über die erstattungsfähigen Anwaltskosten, die Koch Media entstanden sind, um die Durchsetzung ihrer Rechte durch eine vor Erhebung einer Klage an FU gerichtete Abmahnung sicherzustellen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2004/48
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 10, 14 und 17 der Richtlinie 2004/48 lauten:
„(10) Mit dieser Richtlinie sollen diese Rechtsvorschriften einander angenähert werden, um ein hohes, gleichwertiges und homogenes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewährleisten.
…
(14) Nur bei in gewerblichem Ausmaß vorgenommenen Rechtsverletzungen müssen die Maßnahmen nach Artikel 6 Absatz 2, Artikel 8 Absatz 1 und Artikel 9 Absatz 2 angewandt werden. Unbeschadet davon können die Mitgliedstaaten diese Maßnahmen auch bei anderen Rechtsverletzungen anwenden. In gewerblichem Ausmaß vorgenommene Rechtsverletzungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie zwecks Erlangung eines unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteils vorgenommen werden; dies schließt in der Regel Handlungen aus, die in gutem Glauben von Endverbrauchern vorgenommen werden.
…
(17) Die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe sollten in jedem Einzelfall so bestimmt werden, dass den spezifischen Merkmalen dieses Falles, einschließlich der Sonderaspekte jedes Rechts an geistigem Eigentum und gegebenenfalls des vorsätzlichen oder nicht vorsätzlichen Charakters der Rechtsverletzung[,] gebührend Rechnung getragen wird.”
Rz. 4
Art. 1 („Gegenstand”) dieser Richtlinie lautet:
„Diese Richtlinie betrifft die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe, die erforderlich sind, um die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen. Im Sinne dieser Richtlinie umfasst der Begriff ‚Rechte des geistigen Eigentums’ auch die gewerblichen Schutzrechte.”
Rz. 5
Art. 2 („Anwendungsbereich”) Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:
„Unbeschadet etwaiger Instrumente in den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten, die für die Rechtsinhaber günstiger sind, fin...