Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Gerichtsstandsklausel. Zuständigkeitsklausel in einem zwischen zwei Gesellschaften geschlossenen Vertrag. Schadensersatzklage. Gesamtschuldnerische Haftung der Vertreter einer dieser Gesellschaften für unerlaubte Handlungen. Möglichkeit dieser Vertreter, sich auf die genannte Klausel zu berufen
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Art. 23
Beteiligte
Malcon Navigation Co. ltd |
Tenor
Art. 23 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass eine Gerichtsstandsklausel, die in einem zwischen zwei Gesellschaften geschlossenen Vertrag enthalten ist, nicht von den Vertretern einer dieser Gesellschaften geltend gemacht werden kann, um die Zuständigkeit eines Gerichts für die Entscheidung über eine Schadensersatzklage zu bestreiten, mit der sie für ihnen zur Last gelegte unerlaubte Handlungen in Ausübung ihrer Pflichten gesamtschuldnerisch zur Verantwortung gezogen werden sollen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Areios Pagos (Kassationsgerichtshof, Griechenland) mit Entscheidung vom 7. Juli 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 4. August 2016, in dem Verfahren
Georgios Leventis,
Nikolaos Vafeias
gegen
Malcon Navigation Co. ltd.,
Brave Bulk Transport ltd.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der hellenischen Regierung, vertreten durch A. Magrippi und S. Charitaki als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, zunächst vertreten durch A. Rubio González, dann durch A. Gavela Llopis als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Konstantinidis und M. Heller als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 23 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1, im Folgenden: Brüssel-I-Verordnung).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, den Herr Georgios Leventis und Herr Nikolaos Vafeias, die Vertreter der Brave Bulk Transport ltd., einer Schiffschartergesellschaft, gegen die Malcon Navigation Co. ltd. (im Folgenden: Malcon Navigation) führen. Ihm liegt eine von Malcon Navigation gegen Brave Bulk Transport sowie Herrn Leventis und Herrn Vafeias als Gesamtschuldner erhobene Schadensersatzklage zugrunde, in Bezug auf die die Zuständigkeit der hellenischen Gerichte bestritten wird.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Im elften Erwägungsgrund der Brüssel-I-Verordnung heißt es:
„Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. …”
Rz. 4
Der zu Abschnitt 1 „Allgemeine Vorschriften”) von Kapitel II „Zuständigkeit”) gehörende Art. 2 der Verordnung bestimmt in Abs. 1:
„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.”
Rz. 5
In dem zu Abschnitt 2 „Besondere Zuständigkeiten”) von Kapitel II gehörenden Art. 6 der Verordnung heißt es:
„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann auch verklagt werden:
1. wenn mehrere Personen zusammen verklagt werden, vor dem Gericht des Ortes, an dem einer der Beklagten seinen Wohnsitz hat, sofern zwischen den Klagen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten;
…”
Rz. 6
Zu Abschnitt 7 „Vereinbarung über die Zuständigkeit”) dieses Kapitels gehört u. a. Art. 23 der Verordnung, in dem es heißt:
„(1) Haben die Parteien, von denen mindestens eine ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, vereinbart, dass ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedstaats über eine bereits entstandene Rechtsstreitigke...