Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbot der Einschränkung des Verlustabzugs aus Teilwertabschreibungen ausländischer Tochtergesellschaften
Leitsatz (amtlich)
Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, unter denen eine Muttergesellschaft eine Beteiligung an einer gebietsfremden Tochtergesellschaft hält, die es ihr ermöglicht, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen dieser ausländischen Tochtergesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, stehen die Art. 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 43 EG) und 58 EG-Vertrag (jetzt Art. 48 EG) einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, die für eine in diesem Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft die Möglichkeiten einschränkt, Verluste aus der Abschreibung auf Beteiligungswerte an in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Tochtergesellschaften steuerlich auszugleichen.
Normenkette
EGVtr Art. 43, 48; EStG § 2 Abs. 3, § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2; KStG § 8 Abs. 1; EStG §§ 2a, 10d
Beteiligte
Rewe Zentralfinanz eG als Gesamtrechtsnachfolgerin der ITS Reisen GmbH |
Verfahrensgang
Tatbestand
„Niederlassungsfreiheit ‐ Körperschaftsteuer ‐ Sofortiger Ausgleich von Verlusten der Muttergesellschaften ‐ Verluste aus der Abschreibung auf Beteiligungswerte an in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Tochtergesellschaften“
In der Rechtssache C-347/04
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Finanzgericht Köln (Deutschland) mit Entscheidung vom 15. Juli 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 13. August 2004, in dem Verfahren
Rewe Zentralfinanz eG als Gesamtrechtsnachfolgerin der ITS Reisen GmbH
gegen
Finanzamt Köln-Mitte
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, des Richters J. Klŭcka, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J. Makarczyk und L. Bay Larsen (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2006,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Rewe Zentralfinanz eG, vertreten durch Rechtsanwalt M. Lausterer,
‐ des Finanzamts Köln-Mitte, vertreten durch B. Redmann als Bevollmächtigten,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und U. Forsthoff als Bevollmächtigte,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und D. Triantafyllou als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 31. Mai 2006
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 43 EG), 58 EG-Vertrag (jetzt Art. 48 EG), 67 bis 73 EG-Vertrag (durch den Vertrag von Amsterdam aufgehoben), 73b bis 73d EG-Vertrag (jetzt Art. 56 EG bis 58 EG), 73e EG-Vertrag (durch den Vertrag von Amsterdam aufgehoben) sowie der Art. 73f und 73g EG-Vertrag (jetzt Art. 59 EG und 60 EG).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der in Deutschland niedergelassenen Rewe Zentralfinanz eG (im Folgenden: Rewe) als Gesamtrechtsnachfolgerin der ITS Reisen GmbH (im Folgenden: ITS) und dem Finanzamt Köln-Mitte wegen der Nichtberücksichtigung von Verlusten aus Teilwertabschreibungen auf Beteiligungswerte an in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Tochtergesellschaften als abzugsfähige Betriebsausgaben bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns in den Steuerjahren 1993 und 1994.
Nationales Recht
3
Nach dem im Ausgangsverfahren anwendbaren § 1 des Körperschaftsteuergesetzes 1991 (im Folgenden: KStG 1991) sind gebietsansässige Gesellschaften mit ihren weltweit erwirtschafteten Einkünften in Deutschland körperschaftsteuerpflichtig. Hierzu gehören auch die Einkünfte, die von Zweigniederlassungen oder Agenturen erzielt werden, über die die gebietsansässigen Gesellschaften ihre Aktivitäten außerhalb Deutschlands abwickeln. Hingegen wird eine gebietsansässige Gesellschaft für die Einkünfte ihrer Tochtergesellschaften nicht im Zeitpunkt der Erzielung der Einkünfte besteuert.
4
Gemäß § 8 Abs. 1 KStG 1991 bestimmt sich nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes 1990 (im Folgenden: EStG 1990) und des KStG 1991, was als Einkommen gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist.
5
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1990 stellen Abschreibungen auf den niedrigeren Teilwert von Beteiligungen abzugsfähige Betriebsausgaben bei der Gewinnermittlung dar. Als Teilwert wird nach § 6 EStG 1990 der Betrag angesehen, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut umsetzen würde. Während der Abnutzung unterliegende Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens im Wege der Gewinnermittlung grundsätzlich mit ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um die Absetzung für Abnutzung, in der Bilanz aufgeführt werden, kann der Steuerpflichtige auch den niedrigeren Teilwert ansetzen (Teilwertabschreibung), wenn z. B....