Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbot der Besteuerung einer Zweigniederlassung einer Auslandsgesellschaft mit höherem Steuersatz als bei vergleichbaren inländischen Gesellschaften
Leitsatz (amtlich)
Die Artikel 52 und 58 EG-Vertrag sind dahin auszulegen, daß sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie den steuerrechtlichen Vorschriften, um die es im Ausgangsverfahren geht, entgegenstehen, die Gesellschaften, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben und im ersten Mitgliedstaat durch eine dort bestehende dauerhafte Niederlassung tätig sind, die Gesellschaften mit Sitz im ersten Mitgliedstaat eingeräumte Möglichkeit, in den Genuß eines niedrigeren Steuersatzes auf Gewinne zu gelangen, vorenthalten, wenn kein objektiver Unterschied zwischen den beiden Gruppen von Gesellschaften besteht, der eine solche Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte.
Normenkette
EWGVtr Art. 52, 58
Beteiligte
Royal Bank of Scotland plc |
Elliniko Dimosio (Griechischer Staat) |
Verfahrensgang
Dioikitiko Protodikeio Peiraios (Griechenland) |
Tatbestand
"Niederlassungsfreiheit - Steuerrecht - Steuer auf die Gewinne von Gesellschaften"
In der Rechtssache C-311/97
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom Dioikitiko Protodikeio Piräus (Griechenland) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Royal Bank of Scotland plc
gegen
Elliniko Dimosio (Griechischer Staat)
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 7 EWG-Vertrag (jetzt Artikel 6 EG-Vertrag) und 52 EG-Vertrag
erläßt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Ersten Kammer P. Jann in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter
J. C. Moitinho de Almeida, D. A. O. Edward, L. Sevón und M. Wathelet (Berichterstatter),
Generalanwalt: S. Alber
Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der Royal Bank of Scotland plc, vertreten durch Rechtsanwalt K. Papakostopoulos, Athen,
- der griechischen Regierung, vertreten durch V. Kyriazopoulos, beigeordneter Rechtsberater im Juristischen Dienst des Staates, und G. Alexaki, Rechtsberaterin in der Sonderabteilung des Außenministeriums für Rechtsfragen der Europäischen Gemeinschaften, als Bevollmächtigte,
- der französischen Regierung, vertreten durch K. Rispal-Bellanger, Abteilungsleiterin für internationales Wirtschaftsrecht und Gemeinschaftsrecht in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, und G. Mignot, Sekretär für Auswärtige Angelegenheiten in derselben Direktion, als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Condou-Durande und H. Michard, beide Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Royal Bank of Scotland plc, der griechischen Regierung und der Kommission in der Sitzung vom 8. Oktober 1998,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. November 1998,
folgendes
Urteil
1.
Das Dioikitiko Protodikeio Piräus hat mit Urteil vom 30. Juni 1997, beim Gerichtshof eingegangen am 8. September 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung der Artikel 7 EWG-Vertrag (jetzt Artikel 6 EG-Vertrag) und 52 EG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Royal Bank of Scotland plc (im folgenden: Royal Bank of Scotland) und dem DOY (für die Direktbesteuerung von Aktiengesellschaften zuständiges Finanzamt) über die Besteuerung der von der Zweigniederlassung dieser Bank in Griechenland im Geschäftsjahr 1994/95 erzielten Gewinne mit einem höheren Steuersatz, als er auf Banken mit Sitz in Griechenland Anwendung findet.
3.
Die Royal Bank of Scotland hat ihren Sitz im Vereinigten Königreich. Sie ist in Griechenland durch eine Zweigniederlassung mit Sitz in Piräus tätig.
4.
Am 14. Februar 1996 gab die Royal Bank of Scotland beim DOY Piräus ihre Körperschaftsteuererklärung für das Geschäftsjahr 1994/95 ab. Sie gab an, daß die steuerbaren Gewinne aus der Tätigkeit ihrer Zweigniederlassung sich für die Zeit vom 1. Oktober 1994 bis zum 30. September 1995 auf 1 031 256 016 DR belaufen hätten und daß die Steuer auf diese Gewinne bei Anwendung des in Artikel 109 Absatz 1 Buchstabe a des Gesetzes Nr. 2238 vom 16. September 1994 (Amtsblatt der Griechischen Republik Nr. 151, Ausgabe A; im folgenden: Gesetz Nr. 2238/1994) vorgesehenen Steuersatzes von 40 % sich auf einen Betrag von 412 502 406 DR belaufe.
5.
Die Royal Bank of Scotland versah ihre Steuererklärung mit einem Vorbehalt, wonach die Gewinne ihrer Zweigniederlassung gemäß Artikel 109 Absatz 1 Buchstabe b des Gesetzes Nr. 2238/1994, d. h. mit einem Satz von 35 %, zu versteuern gewesen seien, der auf inländische Banken Anwendung finde.
6.
In der Erwägung, daß sie durch die Anwendung des Steuersatzes von 40 % höher besteuert werde als die inländischen Banken, berief sich die Royal Bank of ...