Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Öffentliche Gesundheit. Information und Verbraucherschutz. Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel. Verweis auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile. Begriff ‚beifügen’. einer speziellen gesundheitsbezogenen Angabe. Verpflichtung zur Erbringung wissenschaftlicher Nachweise. Umfang

 

Normenkette

EGV Nr. 1924/2006 Art. 10 Abs. 3

 

Beteiligte

Dr. Willmar Schwabe

Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG

Queisser Pharma GmbH & Co. KG

 

Tenor

1. Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel in der durch die Verordnung (EG) Nr. 107/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die darin vorgesehene Anforderung, wonach jedem Verweis auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile eines Nährstoffs oder Lebensmittels eine in einer der Listen nach Art. 13 oder Art. 14 dieser Verordnung enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt sein muss, nicht erfüllt ist, wenn die Vorderseite der Umverpackung eines Nahrungsergänzungsmittels einen Verweis auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile eines Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit enthält, während sich die spezielle gesundheitsbezogene Angabe, die diesem Verweis beigefügt sein soll, nur auf der Rückseite der Umverpackung befindet und es keinen ausdrücklichen Hinweis wie etwa einen Sternchenhinweis auf den Bezug zwischen den beiden Angaben gibt.

2. Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1924/2006 in der durch die Verordnung Nr. 107/2008 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass Verweise auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile eines Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden durch wissenschaftliche Nachweise im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 dieser Verordnung abgesichert sein müssen. Dafür reicht es aus, dass diesen Verweisen spezielle gesundheitsbezogene Angaben aus einer der Listen nach Art. 13 oder Art. 14 der Verordnung beigefügt sind.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 12. Juli 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 10. August 2018, in dem Verfahren

Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG

gegen

Queisser Pharma GmbH & Co. KG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev sowie der Richter P. G. Xuereb (Berichterstatter), T. von Danwitz, C. Vajda und A. Kumin,

Generalanwalt: G. Hogan,

Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juni 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwalt C. Stallberg,
  • der Queisser Pharma GmbH & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwalt A. Meisterernst,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Herbout-Borczak und C. Hödlmayr als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. September 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (ABl. 2006, L 404, S. 9) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 107/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 (ABl. 2008, L 39, S. 8) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1924/2006).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG (im Folgenden: Schwabe) und der Queisser Pharma GmbH & Co. KG wegen der angeblich irreführenden Umverpackung eines Nahrungsergänzungsmittels.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung Nr. 1924/2006

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 1, 9, 14, 16, 17, 23 und 29 der Verordnung Nr. 1924/2006 lauten:

„(1) Zunehmend werden Lebensmittel in der Gemeinschaft mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben gekennzeichnet, und es wird mit diesen Angaben für sie Werbung gemacht. Um dem Verbraucher ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten und ihm die Wahl zu erleichtern, müssen die im Handel befindlichen Produkte sicher sein und eine angemessene Kennzeichnung aufweisen. …

(9) Es gibt eine Vielzahl von Nährstoffen und anderen Substanzen – unter anderem Vitamine, Mineralstoffe einschließlich Spurenelementen, Aminosäuren, essenzielle Fettsäuren, Ballaststoffe, verschiedene Pflanzen- und Kräuterextrakte und andere – mit ernährungsbezogener oder physiologischer Wirkung, die in Lebensmitteln vorhanden und Gegenstand entsprechender Angaben sein können. Daher sollten allgemeine Grundsätze für alle Angaben über Lebensmittel festgesetzt werden, um ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, dem Verbraucher die notwe...

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