Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Audiovisuelle Mediendienste. Höchstsendezeiten für Fernsehwerbung pro Stunde. Ausnahmen. Begriff ‚Hinweise des Fernsehveranstalters auf eigene Sendungen‘. Hinweise eines Fernsehveranstalters, um Sendungen eines Radiosenders zu vertreiben, der zur selben Sendergruppe wie er selbst gehört
Normenkette
Richtlinie 2010/13/EU; Richtlinie 2010/13/EU Art. 23 Abs. 1-2
Beteiligte
Reti Televisive Italiane SpA (RTI) |
Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni AGCOM) |
Tenor
Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste)
ist dahin auszulegen, dass
der Begriff „Hinweise des Fernsehveranstalters auf eigene Sendungen“ keine Werbebotschaften erfasst, die ein Fernsehveranstalter für einen Radiosender ausstrahlt, der zur selben Gruppe von Gesellschaften wie dieser Fernsehveranstalter gehört, es sei denn, dass es sich zum einen bei den Sendungen, die Gegenstand dieser Werbebotschaften sind, um „audiovisuelle Mediendienste“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie handelt, was impliziert, dass sie sich von der Hauptaktivität des Radiosenders trennen lassen, und dass zum anderen der Fernsehveranstalter für diese Sendungen die „redaktionelle Verantwortung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie trägt.
Tatbestand
In der Rechtssache C-255/21
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) mit Entscheidung vom 25. März 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 21. April 2021, in dem Verfahren
Reti Televisive Italiane SpA (RTI)
gegen
Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni(AGCOM),
Beteiligte:
Elemedia SpA,
Radio Dimensione Suono SpA,
RTL 102,500 Hit Radio Srl,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin K. Jürimäe sowie der Richter N. Piçarra (Berichterstatter), M. Safjan, N. Jääskinen und M. Gavalec,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: C. Di Bella, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. September 2022,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – der Reti Televisive Italiane SpA (RTI), vertreten durch F. Lepri, M. Molino und G. Rossi, Avvocati,
- – der Elemedia SpA, der Radio Dimensione Suono SpA und der RTL 102,500 Hit Radio Srl, vertreten durch F. Di Ciommo, Avvocato,
- – der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von R. Guizzi, Avvocato dello Stato,
- – der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun und L. Malferrari als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 13. Juli 2023
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 23 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) (ABl. 2010, L 95, S. 1, berichtigt in ABl. 2010, L 263, S. 15) sowie des 43. Erwägungsgrundes der Richtlinie (EU) 2018/1808 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 (ABl. 2018, L 303, S. 69), die die erstgenannte Richtlinie geändert hat, auf den Ausgangsrechtsstreit jedoch in zeitlicher Hinsicht nicht anwendbar ist.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Reti Televisive Italiane SpA (RTI) und der Autorità per le garanzie nelle comunicazioni (AGCOM) (Regulierungsbehörde für das Kommunikationswesen, Italien) über die Rechtmäßigkeit von drei Beschlüssen dieser Behörde, mit denen RTI wegen Verstoßes durch die Fernsehsender Canale 5, Italia 1 und Rete 4 gegen die italienische Regelung über Höchstsendezeit für Fernsehwerbung pro Stunde belangt worden war.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2010/13
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 23, 25, 87, 96 und 97 der Richtlinie 2010/13 heißt es:
„(23) Für die Zwecke dieser Richtlinie sollte sich der Begriff ‚audiovisuell‘ auf bewegte Bilder mit oder ohne Ton beziehen; er sollte somit Stummfilme erfassen, nicht aber Tonübertragungen oder Hörfunkdienste. …
…
(25) Der Begriff der redaktionellen Verantwortung ist grundlegend für die Bestimmung der Rolle des Mediendiensteanbieters und damit des Begriffs der audiovisuellen Mediendienste. Die Mitgliedstaaten können einzelne Aspekte der Definition der redaktionellen Verantwortung, insbesondere den Begriff der ‚wirksamen Kontrolle‘, bei der Annahme der Maßnahmen zur Umsetzung dieser Richtlinie näher bestimmen. …
…
(87) Es sollte eine Beschränkung bei Fernsehwerbe...