Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Ziel. Anwendung. Kontrolle. Überprüfung. Von einem Mitgliedstaat ergriffene Maßnahmen. Verpflichtung, Informationen über die wirtschaftliche Situation eines Anbieters von Online-Vermittlungsdiensten bereitzustellen
Normenkette
VO 1150/2019/EU Art. 1, 15-16, 18
Beteiligte
Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni |
Tenor
Die Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten
ist dahin auszulegen, dass
sie im Hinblick auf die angemessene und wirksame Durchsetzung dieser Verordnung nicht den Erlass von Maßnahmen durch einen Mitgliedstaat rechtfertigt, nach denen unter Androhung von Sanktionen Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten im Hinblick auf die Erbringung ihrer Dienstleistungen in diesem Mitgliedstaat der Verpflichtung unterliegen, regelmäßig ein Dokument über ihre wirtschaftliche Lage an eine von dessen Behörden zu übermitteln, in dem zahlreiche Informationen, u. a. zu den Einnahmen der Anbieter, detailliert aufzuführen sind.
Tatbestand
In der Rechtssache C-663/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium, Italien) mit Entscheidung vom 10. Oktober 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Oktober 2022, in dem Verfahren
Expedia Inc.
gegen
Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richter F. Biltgen, N. Wahl (Berichterstatter) und J. Passer sowie der Richterin M. L. Arastey Sahún,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – der Expedia Inc., vertreten durch P. Actis Perinetto, F. Brunetti, C. Osti und A. Vitale, Avvocati,
- – der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von L. Delbono und R. Guizzi, Avvocati dello Stato,
- – der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, T. Suchá und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
- – von Irland, vertreten durch M. Browne, Chief State Solicitor, sowie A. Joyce und M. Tierney als Bevollmächtigte im Beistand von D. Fennelly, BL,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Armati, S. L. Kalėda und L. Malferrari als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. Januar 2024
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten (ABl. 2019, L 186, S. 57).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Expedia Inc., einer in den Vereinigten Staaten niedergelassenen Gesellschaft, und der Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni (Regulierungsbehörde für das Kommunikationswesen, Italien) (im Folgenden: AGCOM) über von dieser Behörde gegenüber Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten ergriffene Maßnahmen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 7, 46 und 51 der Verordnung 2019/1150 heißt es:
„(7) Es sollten auf der Ebene der [Europäischen] Union gezielte Vorschriften verbindlich festgelegt werden, um ein faires, vorhersehbares, tragfähiges und vertrauenswürdiges Online-Geschäftsumfeld im Binnenmarkt sicherzustellen. Insbesondere sollten den gewerblichen Nutzern von Online-Vermittlungsdiensten in der gesamten Union eine angemessene Transparenz und wirksame Abhilfemöglichkeiten geboten werden, um grenzüberschreitende Geschäfte innerhalb der Union zu erleichtern und auf diese Weise das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu verbessern und die möglicherweise entstehende Fragmentierung in bestimmten Bereichen, die unter diese Verordnung fallen, zu bekämpfen.
…
(46) Die Mitgliedstaaten sollten verpflichtet werden, für eine angemessene und wirksame Durchsetzung dieser Verordnung zu sorgen. Es bestehen bereits verschiedene Durchsetzungssysteme in den Mitgliedstaaten, und sie sollten nicht verpflichtet werden, neue nationale Durchsetzungsstellen einzurichten. Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit haben, bereits bestehende Behörden, einschließlich Gerichten, mit der Durchsetzung dieser Verordnung zu betrauen. Die Mitgliedstaaten sollten mit dieser Verordnung nicht verpflichtet werden, eine Durchsetzung von Amts wegen vorzusehen oder Geldbußen festzusetzen.
…
(51) Da das Ziel dieser Verordnung, nämlich die Gewährleistung eines fairen, vorhersehbaren, tragfähigen und vertrauenswürdigen Online-Geschäftsumfelds im Binnenmarkt[,] von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann, sondern vielmehr wegen des Umfangs und der Auswirkungen des Vorhabens auf Unionsebene bess...