Entscheidungsstichwort (Thema)
Vereinbarkeit der dänischen Arbeitsmarktabgabe mit dem Gemeinschaftsrecht
Leitsatz (redaktionell)
Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob die am 1.1.1988 eingeführte dänische Arbeitsmarktabgabe gegen Artikel 33 der 6. EG-Richtline verstößt. Die Abgabe ist mit Wirkung vom 1.1.1992 wieder aufgehoben und durch eine entsprechende Erhöhung der Mehrwertsteuer ersetzt worden.
Nach dem Urteil ist die dänische Arbeitsmarktabgabe nicht mit Artikel 33 der 6. EG-Richtline vereinbar, weil sie den Charakter einer Umsatzsteuer hatte. Die vom EuGH festgestellten Merkmale, die einer Abgabe den Charakter einer Umsatzsteuer verleiht, entsprechen der bisherigen Rechtsprechung. Allerdings muß eine Abgabe nicht in allen Punkten der Mehrwertsteuer gleichen, um den Charakter einer Umsatzsteuer zu haben. Es genügt, wenn sie deren wesentlichen Merkmale aufweist. Erstmalig hat der EuGH auch ausdrücklich entschieden, daß sich ein Abgabenpflichtiger vor den nationalen Gerichten unmittelbar auf das Verbot des Artikels 33 der 6. EG-Richtline berufen kann.
Beteiligte
Gründe
Urteil des Gerichtshofes
„Artikel 33 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie – Unmittelbare Wirkung – Umsatzsteuer – Gesetz über die Arbeitsmarktabgabe”
In der Rechtssache C-200/90
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EWG-Vertrag vom Østre Landsret (Dänemark) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Dansk Denkavit ApS und P. Poulsen Trading ApS,
unterstützt durchMonsanto-Searle A/S,
gegen
Skatteministeriet
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 9 ff. EWG-Vertrag, des Artikels 95 EWG-Vertrag und des Artikels 33 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388/EWG)
erläßt
Der Gerichtshof
unter Mitwirkung des Präsidenten O. Due, der Kammerpräsidenten R. Joliet, F. A. Schockweiler, F. Grévisse, der Richter G. F. Mancini, C. N. Kakouris, J. C. Moitinho de Almeida, G. C. Rodríguez Iglesias, M. Díez de Velasco, M. Zuleeg und J. L. Murray,
Generalanwalt: G. Tesauro,
Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
der Dansk Denkavit ApS, der P. Poulsen Trading ApS und der Monsanto-Searle A/S, vertreten durch Rechtsanwalt K. Dyekjær-Hansen, Kopenhagen,
des Skatteministeriet, vertreten durch Rechtsanwalt Gregers Larsen, Kopenhagen, und durch Rechtsberater J. Molde als Bevollmächtigten,
der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes, Director dos Serviços de Assuntas Jurídicos da Direcção Geral das Comunidades Europeias, A. Correia, Sub-Director Geral do TVA, und T. Lemos, Juristin im Serviço Administrativo do TVA, als Bevollmächtigte,
der Kommission der Europäische Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater J. F. Buhl als Bevollmächtigten,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Dansk Denkavit ApS, der P. Poulsen Trading ApS und der Monsanto-Searle A/S sowie des Skatteministeriet und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in der Sitzung vom 28. November 1991,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. Januar 1992,
folgendes
Urteil
1 Das Østre Landsret hat dem Gerichtshof mit Beschluß vom 20. Juni 1990, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Juli 1990, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag vier Fragen nach der Auslegung der Artikel 9 ff. EWG-Vertrag, des Artikels 95 EWG-Vertrag und des Artikels 33 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; im folgenden: Richtlinie 77/388) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen zwei dänischen Gesellschaften, der Dansk Denkavit ApS (im folgenden: Dansk Denkavit) und der P. Poulsen Trading ApS (im folgenden: Poulsen Trading), und dem Skatteministeriet (dänisches Finanzministerium) betreffend einen von beiden Klägerinnen gestellten Antrag auf Rückerstattung der von ihnen in den Jahren 1988 und 1989 Arbeitsmarktabgabe (im folgenden: Abgabe) entrichteten Beträge.
3 Wie sich aus den Akten ergibt, wurde die Abgabe durch das Gesetz Nr. 840 vom 18. Dezember 1987 über die Arbeitsmarktabgabe („lov om arbejdsmarkedsbidrag”) mit Wirkung vom 1. Januar 1988 eingeführt. Sie steht im Zusammenhang mit der Wirtschaftspolitik, die die dänische Regierung seinerzeit zur Ankurbelung des Wachstums und zur Förderung der Beschäftigung verfolgte. Um die Kosten für die Unternehmen zu senken, erschien es der dänischen Regierung unerläßlich, bestimmte Sozialleistungen, die bisher von den Arbeitgebern getragen worden waren, staatlich zu finanzieren. Zur Beschaffung der benötigten öffentlichen Einnahmen s...