Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist. Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren. Erlass und Zustellung der Überstellungsentscheidung, bevor der ersuchte Mitgliedstaat dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben hat”
Normenkette
Verordnung (EU) Nr. 604/2013 Art. 26 Abs. 1
Beteiligte
Tenor
Art. 26 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, ist dahin auszulegen, dass er es dem Mitgliedstaat, der bei einem anderen Mitgliedstaat, den er aufgrund der in der Verordnung festgelegten Kriterien dafür zuständig hält, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, ein Gesuch um Aufnahme oder Wiederaufnahme einer Person im Sinne des Art. 18 Abs. 1 der Verordnung gestellt hat, verwehrt, eine Überstellungsentscheidung zu erlassen und dieser Person zuzustellen, bevor der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal administratif de Lille (Verwaltungsgericht Lille, Frankreich) mit Entscheidung vom 1. Dezember 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Dezember 2016, in dem Verfahren
Adil Hassan
gegen
Préfet du Pas-de-Calais
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič (Berichterstatter), des Richters A. Rosas, der Richterinnen C. Toader und A. Prechal und des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas, E. de Moustier und E. Armoet als Bevollmächtigte,
- der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Condou-Durande als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. Dezember 2017
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 26 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. 2013, L 180, S. 31, im Folgenden: Dublin-III-Verordnung).
Rz. 2
Das Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Adil Hassan, einem irakischen Staatsangehörigen, und dem Préfet du Pas-de-Calais (Präfekt von Pas-de-Calais, Frankreich) über die Rechtmäßigkeit der Anordnung seiner Überstellung nach Deutschland.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung (EU) Nr. 603/2013
Rz. 3
Der vierte Erwägungsgrund der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über die Einrichtung von Eurodac für den Abgleich von Fingerabdruckdaten zum Zwecke der effektiven Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist und über der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung dienende Anträge der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und Europols auf den Abgleich mit Eurodac-Daten sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (ABl. 2013, L 180, S. 1) lautet:
„Die Anwendung der [Dublin-III-Verordnung] setzt voraus, dass die Identität der Personen, die internationalen Schutz beantragen, und der Personen, die beim illegalen Überschreiten der Außengrenzen der Union aufgegriffen wurden, festgestellt wird. Im Sinne einer wirksamen Anwendung der [Dublin-III-Verordnung] und insbesondere des Artikels 18 Absatz 1 Buchstaben b und d wäre es darüber hinaus wünschenswert, dass jeder Mitgliedstaat in Erfahrung bringen kann, ob ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der sich illegal in seinem Hoheitsgebiet aufhält, bereits in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.”
Rz. 4
Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 603/2013 sieht vor:
„Es wird ein System mit der Bezeichnung ‚Eurodac’ eingerichtet, dessen Aufgabe es ist, nach Maßgabe der vorliegenden Verordnung die Bestimmung des Mitgliedst...