Julia Roglmeier, Nina Lenz-Brendel
Bei juristischen Sachverhalten mit Auslandsbezug ist zunächst stets zu prüfen, welche Rechtsordnung anwendbar ist. Das deutsche internationale Privatrecht ist geregelt in Art. 3 ff. EGBGB.
2.1 Rechtslage nach dem EGBGB
Nach der Grundnorm des Art. 3 EGBGB ist dabei in folgender Reihenfolge vorzugehen:
Überblick Prüfungsreihenfolge und Rangordnung des Art. 3 EGBGB
Bei den wichtigsten völkerrechtlichen Verträgen, die im Rahmen von Art. 3 EGBGB zu beachten sind und nationalem Recht vorgehen, handelt es sich vornehmlich um:
Die wichtigsten Staatsverträge
- Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 05.10.1961,
- Deutsch-Iranisches Niederlassungsabkommen,
- Deutsch-Türkischer Konsularvertrag,
- Deutsch-Sowjetischer Konsularvertrag.
Sind nach Art. 3 EGBGB keine völkerrechtlichen Verträge oder EU-Recht (Verordnungen) vorrangig anwendbar, kommt nationales Kollisionsrecht zur Anwendung.
Unanwendbarkeit einer ausländischen Norm trotz Vorrang
Sofern eine Rechtsnorm eines anderen Staates mit wesentlichen Grundsätzen (insbesondere mit den Grundrechten) unvereinbar ist, ist sie trotz Vorrang nicht anzuwenden, Art. 6 EGBGB.
Steht fest, dass der konkrete juristische Sachverhalt zwei Rechtsordnungen betrifft, muss das anwendbare Recht bestimmt werden. Hierbei ist zweistufig vorzugehen: zunächst wird die Kollisionsnorm und der Anknüpfungsgegenstand (z. B. "Rechtsnachfolge von Todes wegen") bestimmt und sodann der Anknüpfungsmoment des anzuwendenden Rechts festgelegt.
Anknüpfungsmomente im Erbrecht können vornehmlich sein:
Die Anknüpfungsmomente im Erbrecht
- Staatsangehörigkeit,
- Wohnsitz,
- Aufenthaltsort,
- Belegenheitsort.
Nach erfolgreicher rechtlicher Qualifikation und Subsumption des konkreten Sachverhalts unter die Kollisionsnorm, bestimmt diese nach Vorgabe des Anknüpfungsmoments die anwendbaren Rechtsnormen als Rechtsnachfolge. Maßgeblich kann entweder die eigene oder die fremde Rechtsordnung sein oder aber es kann eine Rechtswahl eröffnet sein.
Anknüpfungsgegenstand "Rechtsnachfolge von Todes wegen" – Anknüpfungsmomente "Belegenheitsort" und "Aufenthaltsort"
Ein amerikanischer Staatsangehöriger lebt seit vielen Jahren in München, wo er auch ohne ein Testament errichtet zu haben, verstirbt. Er besitzt Bankvermögen in Deutschland und ein Feriendomizil in Florida.
Frage: Welche Rechtsnormen sind anzuwenden?
Anknüpfungsgegenstand ist die Rechtsnachfolge von Todes wegen. Die EuErbVO gilt aus Sicht der Mitgliedstaaten zunächst nicht nur für innerstaatliche Erbfälle, sondern weltweit, vgl. Art. 20 EuErbVO. Nach Art. 25 EGBGB i. V. m. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO greift infolge des letzten gewöhnlichen Aufenhaltsorts des Erblassers in Deutschland für die Erbfolge daher grds. deutsches Recht. Das Recht des Bundesstaats Florida schreibt jedoch für unbewegliches Vermögen die Anwendung des Rechts am Belegenheitsort ("lex rei sitae") vor. Es kommt zu einer Situation des sog. Forumshopping: Die von Todes wegen Begünstigten werden ihre Rechte vor den Gerichten desjenigen Staates einklagen, das ihnen die günstigere erbrechtliche Situation bietet. Sind deutsche Gerichte für die Entscheidung über die Erbfolge zuständig, ist nicht unwahrscheinlich, dass das amerikanische Immobilienvermögen infolge der fehlenden Vollstreckungsmöglichkeit in den USA von der deutschen Entscheidung ausgenommen wird.
2.1.1 Erbstatut
Während das Personalstatut beschreibt, warum eine Rechtsordnung maßgeblich sein soll, bestimmt das Erbstatut den zu regelnden Anwendungsbereich, das Erbrecht.
Das Erbstatut regelt alle Umstände, die mit dem Tod einer Person und des damit verbundenen Vermögensübergangs auf dritte Personen einhergehen.
Vom Erbstatut sind insbesondere umfasst:
Die wichtigsten Regelungspunkte des Erbstatuts
- Auslegung letztwilliger Verfügungen,
- Erbfähigkeit,
- Nachlassumfang,
- Anfall und Erwerb der Erbschaft sowie Ausschlagung und Annahme,
- Betroffene Personenkreise (Erben, Vermächtnisnehmer, Pflichtteilsberechtigte).
Nach der EuErbVO knüpft das Erbstatut an das objektive Anknüpfungsmoment des letzten gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes an, Art. 21 Abs. 1 und 2 EuErbVO.
Erbstatut
Ein deutscher Staatsangehöriger lebt seit vielen Jahren in Wien. Neben Bankvermögen in Österreich und Deutschland besitzt er eine Eigentumswohnung in München.
Die EuErbVO knüpft sowohl aus deutscher als auch aus österreichischer Sicht im Hinblick auf die Erbfolge an österreichisches Recht an.
Art. 22 Abs. 1 EuErbVO eröffnet dem in Wien lebenden deutschen Erblasser die Möglichkeit, per letztwilliger Verfügung eine Rechtswahl zu treffen zugunsten deutschen Erbrechts.
2.1.2 Nachlasseinheit und Nachlassspaltung
Die EuErbVO geht vom Grundsatz der Nachlasseinheit aus: Das Erbstatut bildet ein Gesamtstatut. Der gesamte Erbfall unterliegt einheitlich derselben Rechtsordnung, unabhängig dav...