Julia Roglmeier, Nina Lenz-Brendel
Für Entscheidungen in Erbsachen sind für den gesamten Nachlass die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, Art. 4 EuErbVO.
Der Grundentscheidung der Europäischen Erbrechtsverordnung, die Zuständigkeit an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers zu knüpfen, liegt die Überlegung zugrunde, dass sich eben dort in der Regel der (überwiegende) Teil des Nachlasses befindet und die mit der Erbsache befassten Behörden (Gerichte und Notare) ihr "eigenes" Recht anwenden können.
Auch das anwendbare Recht richtet sich grundsätzlich nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers.
Mit dieser Regelungssystematik im Hinblick auf zuständiges Gericht und anwendbares Recht, trägt die Verordnung dem Grundgedanken des "Gleichaufs" Rechnung, dass das mit der Erbsache befasste Gericht sein "eigenes" Recht anwenden kann.
Wählt der künftige Erblasser stattdessen sein Staatsangehörigkeitsrecht, sieht die Verordnung daher eine Reihe von Mechanismen vor, die sicherstellen, dass die mit der Erbsache befasste Behörde auch in diesen Situationen ihr eigenes Recht anwendet.
Einer dieser Mechanismen besteht darin, dass die betroffenen Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte des Mitgliedstaats, dessen Recht gewählt wurde, schließen können.
5.1.1 Gewöhnlicher Aufenthalt des Erblassers in der EU
Der unbestimmte Rechtsbegriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" richtet sich nach der Rechtsprechung des EuGH nach der Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der persönlichen und familiären Eingliederung des Erblassers in einen Mitgliedstaat.
Zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers ist neben dem objektiven Element des tatsächlichen Aufenthalts auch das subjektive Element, nämlich der Aufenthalts- und Bleibewille, erforderlich. Die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts wird wohl in der Praxis meist wenig problematisch sein. Allerdings gibt es Fälle, in denen die Bestimmung einer genaueren Betrachtung bedarf.
Hierunter fallen insbesondere:
Berufspendler, also Personen, die sich aus beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen – unter Umständen auch für längere Zeit – in einen anderen Staat begeben haben, um dort zu arbeiten, aber eine enge und feste Bindung zu ihrem Herkunftsstaat aufrechterhalten haben. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin in dem Herkunftsstaat hat, in dem sich in familiärer und sozialer Hinsicht sein Lebensmittelpunkt befunden hat.
- Sind allerdings langjährige berufliche und soziale Bindungen des Erblassers an seinen neuen tatsächlichen Aufenthaltsort vorhanden, muss der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts nach Art. 21 EuErbVO am Ort des tatsächlichen Aufenthalts nicht zwingend entgegenstehen, dass von dem Erblasser eine Rückkehr in sein früheres Heimatland beabsichtigt und ins Werk gesetzt worden war.
- Rentner, die ausschließlich privat veranlasst in (zwei) verschiedenen Mitgliedstaaten Wohnsitze unterhalten. Da hier die gerade angesprochene berufliche Subsidiarität nicht greift, kann im Zuge der Bestimmung des gewöhnlichen letzten Aufenthalts die Staatsangehörigkeit oder der Ort, an dem sich alle wesentlichen Vermögensgegenstände befinden, ein besonderer Faktor bei der Gesamtbeurteilung aller tatsächlichen Umstände sein.
Fremdbestimmte Wohnsitzverlegung bei Krankheit, Alter und Gebrechlichkeit
Ungeklärt ist die Bestimmung des letzten gewöhnlichen Aufenthalts in Fällen in denen eine Person wegen Krankheit, Alter, Gebrechlichkeit oder aus sonstigen zwingenden Gründen daran gehindert ist, für sich selbst zu entscheiden und zu sorgen und damit den eigenen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt zu bestimmen. In Betracht kommt z. B. ein Verbringen in ein (billigeres) ausländisches Pflegeheim durch die Angehörigen. Festgestellt werden muss in diesen Fällen, ob der Aufenthalt im Ausland vom Willen des Erblassers getragen war. Auch eine missbräuchliche Verlegung ins Ausland – z. B. zur Abwehr von Pflichtteilsansprüchen Dritter – wäre denkbar. Jedenfalls in einen solchen Missbrauchsfall bietet sich ein Rückgriff auf die Regelung des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO an: Ergibt sich ausnahmsweise aus der Gesamtheit der Umstände, eine offensichtlich engere Verbindung des Erblassers zu einem anderen als dem Staat, in dem der letzte gewöhnliche Aufenthalt liegt, so ist auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.
5.1.2 Gewöhnlicher Aufenthalt des Erblassers in einem Drittstaat
Hatte der Erblasser seinen gewöhn...