Julia Roglmeier, Nina Lenz-Brendel
Eine Rechtswahl durch den Erblasser nach Art. 22 EuErbVO kommt immer dann in Betracht, wenn der Erblasser einen Umzug ins Ausland nicht ausschließen kann und Rechtssicherheit über das zum Eintritt des Erbfalls anzuwendende Recht schaffen möchte. Gleiches gilt, wenn die Gefahr besteht, dass der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts nach dem Tod des Erblassers unklar bzw. streitig sein könnte.
6.2.1 Reichweite der Rechtswahl
Anstelle des Rechts des Staates in dem Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, kann er für seine Rechtsnachfolge von Todes wegen auch das Recht des Staates wählen, dem er im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt seines Todes angehört, Art. 22 Abs. 1 S. 1 EuErbVO. Eine besondere Verbindung zu diesem Staat ist nicht notwendig.
Besitzt eine Person mehrere Staatsangehörigkeiten kann jede einzelne gewählt werden, Art. 22 Abs. 1 S. 2 EuErbVO.
Eine deklaratorische Wahl des Erbrechts des (aktuellen) gewöhnlichen Aufenthaltes ist demgegenüber nicht möglich. Hierdurch soll eine Ausuferung des wählbaren Rechts und damit das Ausnutzen nebeneinander bestehender Zuständigkeiten, um bestimmte rechtlicher oder tatsächlicher Vorteile zu erreichen, vermieden werden.
Auch das Erbrecht eines Drittstaates, in dem der Erblasser z. B. früher oder bei Errichtung der Verfügung von Todes wegen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, kann er nicht wählen.
6.2.2 Form und Erklärungsinhalt
Gemäß Art. 22 Abs. 2 EuErbVO muss die Rechtswahl ausdrücklich in einer Erklärung in Form einer (wirksamen) Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) erfolgen oder sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergeben, d. h. sie kann grundsätzlich auch konkludent getroffen werden.
Konkludente Rechtswahl
Wann sich allerdings aus der Auslegung einer letztwilligen Verfügung eine solche Konkludenz ergibt, ist fraglich. Zu bejahen wäre dies wohl in dem Fall, in dem in der Verfügung auf Rechtsinstitute zurückgegriffen wird, die nur ein nationales Recht kennt, wie etwa die Vor- und Nacherbschaft. Um hier Unklarheiten zu vermeiden, sollte eine Rechtswahl ausdrücklich getroffen bzw. ausdrücklich davon abgesehen werden.
6.2.3 Rechtswahl und internationale Zuständigkeit
Die Verordnung versagt dem Erblasser die Möglichkeit, neben dem anwendbaren Heimatrecht die dortigen Gerichte zu wählen. Nach dem Erbfall können sich allerdings die Beteiligten per Gerichtsstandsvereinbarung auf die Zuständigkeit des Heimatstaates förmlich oder infolge rügeloser Einlassung formlos verständigen oder aber das ausländische Gericht kann sich auf Antrag infolge fehlender Sachnähe für unzuständig erklären.
Zwar hat sich die EuErbVO zum Ziel gesetzt, einen Gleichlauf von forum und ius zu erreichen. Allerdings wird dieses Ziel lediglich dann erreicht, wenn die am Verfahren beteiligten Personen sich einvernehmlich auf einen Gerichtsstand verständigen. Dies ist infolge der meist komplexen zu klärenden Rechtsfragen eher unwahrscheinlich und wird über die generelle Situation der Betroffenen, sich in einem gerichtlichen Verfahren kontrovers gegenüberzustehen, weiter erschwert. Abgemildert werden kann diese Situation, indem der Erblasser testamentarische Strafklauseln (ähnlich einer Pflichtteilsstrafklausel) vorsieht und beispielsweise verfügt, dass die erbrechtliche Begünstigung wegfallen soll, wenn sich die betreffende Person nicht auf den Wunschgerichtsstand des Erblassers mit den übrigen Beteiligten verständigt. Diese Option ist freilich nicht für alle am Erbfall beteiligte Personen denkbar. So kann ein ohnehin enterbter Pflichtteilsberechtigter, dem kein weiterer Erwerb von Todes wegen zugestanden wird, wohl kaum vom Erblasser zu einem wie auch immer gearteten Verhalten gezwungen werden.