1 Leitsatz
Ein Ex-Wohnungseigentümer, der Verbindlichkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer getilgt hat, kann von den Wohnungseigentümern keine unmittelbare (anteilige) Erstattung seiner Aufwendungen für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verlangen.
2 Normenkette
§ 9a Abs. 4 Satz 1 WEG
3 Das Problem
Es geht um eine Wohnungseigentumsanlage mit 2 Wohnungseigentumsrechten. Ein Verwalter ist nicht bestellt. Die Wohnungseigentümer sind zerstritten. Die Wohnungseigentümer tilgen Verbindlichkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und verlangen wechselseitig die Erstattung der verauslagten Kosten in Höhe des Miteigentumsanteils des anderen.
Im Jahr 2019 veräußert B sein Wohnungseigentum. Wohnungseigentümer K verlangt von B Zahlung von 7.068,49 EUR. Das AG gibt der Klage unter teilweiser Berücksichtigung wechselseitig zur Aufrechnung gestellter Ansprüche in Höhe von 2.641,10 EUR statt. Die auf Zahlung weiterer 4.138,12 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen gerichtete Berufung des K weist das LG ab. Es bejaht einen unmittelbaren, aufrechenbaren Ausgleichsanspruch nach § 9a Abs. 4 WEG. Nach der BGH-Rechtsprechung sei § 9a Abs. 4 WEG zwar auch bei einer zerstrittenen Zweiergemeinschaft auf Sozialverbindlichkeiten nicht anwendbar. Von diesem Grundsatz sei aber eine Ausnahme zu machen, wenn der Anspruchsteller aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ausgeschieden sei.
4 Die Entscheidung
Dies sieht der BGH anders! Einem Wohnungseigentümer, der eine Verbindlichkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer tilge, stehe nach dem BGB nur gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ein Aufwendungsersatzanspruch zu. Da der in Vorlage tretende Wohnungseigentümer für die Gemeinschaft tätig werde und sie von ihrer Schuld befreie, ergebe sich ein Erstattungsanspruch gegen die übrigen Wohnungseigentümer weder aus den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag noch aus Bereicherungsrecht.
§ 9a Abs. 4 WEG sei auch nicht anwendbar, sofern es sich – wie hier – um Ansprüche handele, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis herrührten ("Sozialverbindlichkeiten"). Zu diesen Ansprüchen gehörten Aufwendungsersatzansprüche wegen der Tilgung einer Verbindlichkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Dies gelte unabhängig davon, ob eine Befriedigung aus dem Gemeinschaftsvermögen zu erwarten sei. Nichts anderes gelte in einer (zerstrittenen) Zweiergemeinschaft, in der kein Verwalter bestellt sei und in der wegen des Kopfstimmrechts keine Beschlüsse möglich seien, oder wenn der zwischenzeitlich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ausgeschiedene Wohnungseigentümer für die während seiner Zugehörigkeit zu der Gemeinschaft entstandenen oder während dieses Zeitraums fällig gewordenen Verbindlichkeiten in Anspruch genommen werden solle.
Etwas anderes gelte schließlich auch dann nicht, wenn eine Person kein Wohnungseigentümer mehr sei. Das Ausscheiden ändere nichts daran, dass es sich bei dem noch während seiner Mitgliedschaft entstandenen Erstattungsanspruch um eine Sozialverbindlichkeit handele.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es erneut um die Frage, ob ein Wohnungseigentümer, der Verbindlichkeiten getilgt hat, die man der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer jedenfalls formal zuordnen muss (beispielsweise Verträge dürften nicht namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geschlossen worden sein), Aufwendungsersatz nur von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer oder auch von seinen Miteigentümern verlangen kann. Der BGH hatte sich bei diesem Problemkreis in der Vergangenheit festgelegt, der den Aufwendungsersatz verlangende Wohnungseigentümer müsse sich an die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wenden. Dies gelte auch dann, wenn die Wohnungseigentümer ihre Wohnungseigentumsanlage jenseits des WEG verwalteten. Und dies gelte auch in einer Zweiergemeinschaft, selbst dann, wenn diese zerstritten sei. Ein Fall, den der BGH noch nicht geklärt hatte, war aber der, was gilt, wenn der Aufwendungsersatz Verlangende kein Wohnungseigentümer mehr ist. Zur Klärung dieser Frage hatte das LG die Revision zugelassen, die auch eingelegt worden war.
Ansprüche von Ex-Wohnungseigentümern
Der BGH hat die Rechtsfrage wie aus dem Leitsatz erkennbar entschieden. Das Ausscheiden des Wohnungseigentümers ändert seiner Ansicht nach nichts daran, dass es sich bei dem noch während der Mitgliedschaft entstandenen Erstattungsanspruch um eine Sozialverbindlichkeit handele.
Vorgehen eines Gläubigers
Ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht mit Finanzmitteln ausgestattet und fehlen Beschlüsse über Vorschüsse oder Nachschüsse, kann ein Gläubiger den Anspruch der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen ihre Mitglieder auf ordnungsmäßige Verwaltung, insbesondere durch Beschlussfassungen über die Zuführung von Mitteln an die Gemeinschaft, oder aber deren Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Pflichten der Mitglieder im Zusammenhang mit der ordnungsmäßigen Finanzausstattung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer pfänden (BGH, Beschluss v. 2.6.2005, V ZB 32/05).
6 Entscheidung
BGH, Urteil v. 25.3.2022, V ZR 92/21