Das Wichtigste in Kürze:

1. Das Fahrverbot wegen beharrlicher Pflichtverletzung erfordert wiederholte Tatbegehung als Ausdruck mangelnder Unrechtseinsicht und Rechtstreue.
2. Ein Sonderfall ist im Regelbeispiel des § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV geregelt. Die Grundsätze des Augenblicksversagens greifen auch bei beharrlicher Pflichtverletzung ein.
3. Der Grundnorm des § 25 Abs. 1 StVG kommt in der Praxis stärkere Bedeutung zu. Der innere Zusammenhang zwischen den Taten ergibt sich aus Art, Schwere und Anzahl der Taten sowie dem zeitlichen Zusammenhang. Während beim Regelbeispiel ein Bestreiten der Täterschaft der Vortat unberücksichtigt bleibt, ist das beim Grundtatbestand umstritten.
 

Rdn 1598

 

Literaturhinweise:

Burhoff, Beharrliche Pflichtverletzung: Fahrverbot wegen beharrlicher Pflichtverletzung, VA 2002, 58

ders., Fahrverbot wegen beharrlichen Pflichtenverstoßes, VA 2014, 158

Deutscher, Das Fahrverbot bei beharrlicher Pflichtwidrigkeit, VRR 2007, 169

Krumm, Beharrlichkeit: Wann liegt sie eigentlich vor?, DAR 2014, 166

ders., Verteidigung bei drohendem Beharrlichkeitsfahrverbot, NJW 2014, 1868

Schäfers, Fahrverbot für wiederholte Geschwindigkeitsüberschreitungen auf dem verfassungsrechtlichen und rechtspolitischen Prüfstand, DAR 2011, 190

s. auch die Hinw. bei → Fahrverbot, Allgemeines, Rdn 1493.

 

Rdn 1599

1. Bei beharrlichen Pflichtverletzungen durch den Betroffenen kann nach § 25 Abs. 1 StVG ein Fahrverbot angeordnet werden. Hierzu zählen Verkehrsverstöße, die zwar nicht zu den groben Verkehrsverstößen zählen, aber wiederholt begangen werden (Erfolgsunwert), und die darauf schließen lassen, dass es dem Betroffenen an der für die Teilnahme am Straßenverkehr erforderlichen rechtstreuen Gesinnung und notwendigen Einsicht in zuvor begangenes und geahndetes Unrecht fehlt (Handlungsunwert) (BGHSt 38, 231). Eine Sonderkonstellation der wiederholten Geschwindigkeitsüberschreitung hat der Verordnungsgeber in § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV als Regelbeispiel beharrlicher Pflichtverletzung erfasst (s. Rdn 1600).

 

☆ Es verstößt nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (Rechtsgedanke des § 46 Abs. 3 StGB), wenn Vorbelastungen sowohl zur Erhöhung der Geldbuße als auch zur Begründung des Fahrverbots wegen Beharrlichkeit herangezogen werden (OLG Bamberg DAR 2010, 98 = VRR 2010, 110; OLG Jena NZV 2008, 372).Doppelverwertungsverbot (Rechtsgedanke des § 46 Abs. 3 StGB), wenn Vorbelastungen sowohl zur Erhöhung der Geldbuße als auch zur Begründung des Fahrverbots wegen Beharrlichkeit herangezogen werden (OLG Bamberg DAR 2010, 98 = VRR 2010, 110; OLG Jena NZV 2008, 372).

 

Rdn 1600

2.a) Nach § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV kommt ein Fahrverbot wegen beharrlicher Pflichtverletzung in Betracht, wenn gegen den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h eine Geldbuße rechtskräftig festgesetzt worden ist und er innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft der Entscheidung eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begeht. Wie bei § 4 Abs. 1 BKatV handelt es sich auch hier um ein Regelfahrverbot (BGHSt 38, 231; OLG Celle NZV 1991, 199, 279), sodass die Anordnung des Fahrverbots bei Vorliegen der Voraussetzungen des Regelfalls indiziert ist.

 

Rdn 1601

b) Schon aus dem gesetzlichen Wortlaut des Regelfalls ergibt sich zwingend, dass es nicht auf den Zeitpunkt der Vortat ankommt, sondern ausschließlich auf das Datum des Eintritts der Rechtskraft der Entscheidung, welche die Vortat zum Gegenstand hatte. Hiernach ist die Auslösung der Warnfunktion durch die Rechtskraft der Vorahndung entscheidend, weshalb es ohne Belang ist, dass sich der Eintritt der Rechtskraft aus nicht durch vom Betroffenen zu vertretende Gründe verzögert hat (BayObLG NZV 1997, 487). Dies gilt erst recht, wenn dem Betroffenen im früheren Verfahren zunächst → Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Rdn 4245 zur Einlegung des Einspruchs gewährt worden war, der dann zurückgenommen wurde (OLG Düsseldorf NZV 1998, 385). Umgekehrt beginnt die Frist nicht bereits mit der Zustellung des Bußgeldbescheids oder gar dem Anhaltevorgang am Tatort (OLG Düsseldorf NZV 1994, 41).

 

Rdn 1602

Aufhänger zur Feststellung dieser Vorbelastungen ist der Auszug aus dem FAER. Tilgungsreife Eintragungen dürfen nicht herangezogen werden (OLG Hamm VRS 113, 61 m.w.N.; OLG Karlsruhe zfs 1997, 75; 2005, 412; → Fahreignungsregister, Allgemeines, Rdn 1229), auch nicht solche, die sich in der sog. Überliegefrist des § 29 Abs. 6 StVG befinden (OLG Frankfurt am Main NZV 2010, 161 = VRR 2010, 111; zur Bedeutung der Überliegefrist OLG Bamberg zfs 2010, 291 = DAR 2010, 332 = VRR 2010, 228; OLG Hamm VRR 2005, 23; NZV 2006, 487; VRS 113, 61; OLG Jena NZV 2008, 165 = zfs 2008, 411; OLG Karlsruhe zfs 2005, 411; OLG Stuttgart DAR 2010, 403). Auf der anderen Seite gilt der Grundsatz der materiellen Rechtskraft. Es kann also im neuen Verfahren nicht mit Erfolg vorgebracht werden, die damalige Entscheidung sei sachlich falsch gewesen. Insbesondere ist die Einlassung abgeschnitten, der Betroffene sei nicht ...

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