Ralph Gübner, Dr. Axel Deutscher
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Zur Einhaltung des abgestuften Maßnahmenkatalogs nach § 4 Abs. 5 StVG kann der Punktestand verringert werden. |
2. |
Keine Punkteverringerung tritt ein, wenn mittels Tilgung von Voreintragungen bei Ermahnung oder Verwarnung der Schwellenwert für die Maßnahme nicht mehr überschritten wird. |
3. |
Von der Punkteverringerung sind unabhängig vom Zeitpunkt der Rechtskraft nur Ahndungen erfasst, die der Behörde bei der Ermahnung oder Verwarnung bekannt sind. |
4. |
Die Fahrerlaubnisbehörde ist nicht verpflichtet, den aktuellen Punktestand beim Kraftfahrt-Bundesamt zu erfragen. |
Rdn 1209
Literaturhinweis:
S. die Hinweise bei → Fahreignungsregister, Allgemeines, Rdn 1229.
Rdn 1210
1. Grds. soll die Fahrerlaubnis nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem erst entzogen werden, nachdem der Betroffene den Maßnahmenkatalog nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1–2 StVG durchlaufen hat, also nach Ermahnung und Verwarnung. Sind bei der Ergreifung einer solchen Maßnahme so viele Punkte zu berücksichtigen, dass rechnerisch eine Maßnahmenstufe übersprungen werden müsste, erfolgt deshalb gem. § 4 Abs. 6 StVG eine Verringerung des Punktestandes. Das wird relevant, wenn gegen den Betroffenen in mehreren Verfahren geahndet wird oder in Verfahren mit mehreren tatmehrheitlich begangenen Verstößen (→ Konkurrenzen, Rdn 2681).
Rdn 1211
Insoweit gilt:
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Erreicht oder überschreitet der Betroffene 6 Punkte, ohne zuvor gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 StVG ermahnt worden zu sein, wird der Punktestand auf 5 Punkte reduziert. |
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Eine Reduzierung auf 7 Punkte erfolgt, wenn zuvor keine Verwarnung nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 StVG ausgesprochen worden war. |
☆ Die Voraussetzungen zur Punkteverringerung wurden zum 5.12.2014 geändert und unterliegen nun wesentliche Einschränkungen .wesentliche Einschränkungen.
Rdn 1212
2. Eine erste Einschränkung ergibt sich § 4 Abs. 6 S. 3 StVG. Danach unterbleibt die Punktebegrenzung, wenn der Punktestand im Zeitpunkt der Ermahnung oder Verwarnung nicht ohnehin durch Tilgung einer Eintragung bereits unter die jeweilige Grenze (5 bzw. 7 Punkte) gefallen ist. Der Betroffene wird also nicht doppelt "begünstigt" (Punktebegrenzung und Tilgung des Eintrags im FAER).
Rdn 1213
Beispiel:
Eine Voreintragung mit 3 Punkten aus zwei tatmehrheitlich geahndeten Verstößen wird am 1.6. getilgt. Zuvor werden am 15.5. zwei Bußgeldbescheide rechtskräftig, aus denen jeweils 1 und 2 Punkte folgen. Im Juli erhält die FE-Behörde von den letzten beiden Ahndungen Kenntnis. Am Tag der letzten Tat (15.5.) ergaben sich 6 Punkte, der Betroffenen wird ermahnt. Eine Punkteverringerung unterbleibt allerdings, weil im Zeitpunkt der Ermahnung aufgrund der zwischenzeitlichen Tilgung der Voreintragung nur noch 3 Punkte vorhanden sind.
☆ Endet die Tilgungsfrist indes erst nach der Maßnahme (im Beispiel: Ermahnung), verringert sich der Punktestand erneut. Denn gem. § 4 Abs. 3 S. 3 StVG werden die Punkte aus Voreintragungen im Fahreignungsregister (FAER) bei Tilgung von dem Punktestand abgezogen werden, der sich aus S. 1 und 2 ergibt.Tilgungsfrist indes erst nach der Maßnahme (im Beispiel: Ermahnung), verringert sich der Punktestand erneut. Denn gem. § 4 Abs. 3 S. 3 StVG werden die Punkte aus Voreintragungen im Fahreignungsregister (FAER) bei Tilgung von dem Punktestand abgezogen werden, der sich aus S. 1 und 2 ergibt.
Rdn 1214
Beispiel:
Im FAER ist eine Eintragung mit 2 Punkten notiert. Zwei weitere Verstöße mit je 2 Punkten werden rechtskräftig geahndet. Der Betroffenen wird ermahnt, zugleich erfolgt gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 StVG eine Verringerung auf 5 Punkte. Wird danach der ältere Eintrag getilgt, ist der Betroffene fortan mit 3 Punkten belastet.
Rdn 1215
3.a) Ganz wesentlich ist die zweite Einschränkung. Gem. § 4 Abs. 6 S. 4 StVG werden bei der Punktebegrenzung nur die Punkte aus Zuwiderhandlungen berücksichtigt, die vor der Verringerung nach S. 3 begangen worden sind und von denen die Fahrerlaubnisbehörde bei der Ermahnung oder Verwarnung wusste. Ergänzt wird diese Bestimmung durch § 4 Abs. 5 S. 6 Nr. 1 StVG: "Bei der Berechnung des Punktestandes werden Zuwiderhandlungen 1. unabhängig davon berücksichtigt, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind, …"
☆ Maßgeblich für die Punkteverringerung ist allein, ob die vorherige Maßnahme bereits tatsächlich ergriffen worden war. Der VGH Bayern hat im Beschl. v. 25.9.2019 (11 CS 19.1484) offengelassen, ob eine Maßnahme i.S.d. § 4 Abs. 6 S. 1 StVG erst dann ergriffen ist, wenn der Betroffenen in Anlehnung an § 130 BGB die Möglichkeit hat, das Schreiben (vgl. § 41 Abs. 1 FeV) zur Kenntnis zu nehmen, ob es auf den Zeitpunkt ankommt, zu dem die Behörde das Schreiben zur Post gegeben hat – der hier den Behördenakten nicht entnommen werden kann, oder ob es ausreichend ist, wenn die Behörde ein entsprechendes Schreiben verfasst hat .Maßnahme bereits tatsächlich ergriffen worden war. Der VGH Bayern hat im Beschl. v. 25.9.2019 (11 CS 19.1484) offengelassen, "ob eine Maßnahme i.S.d. § 4 Abs. 6 S. 1 StVG...