Das Wichtigste in Kürze:

1. Typische Folgen und Unannehmlichkeiten des Fahrverbots wie der Zwang zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sind als selbst verschuldet hinzunehmen.
2. Beruflich-wirtschaftliche Folgen können aber eine unangemessene Härte mit der Folge des Wegfalls des Fahrverbots darstellen, wenn das Fahrverbot zu einer nicht auf zumutbare Weise anders abwendbaren Existenzgefährdung führen würde und nicht aus anderen Gründen gleichwohl notwendig ist.
3. Bei Arbeitnehmern ist hierfür eine konkret drohende Kündigung des Arbeitsplatzes erforderlich, die nicht durch Verbüßung des Fahrverbots im Urlaub oder andere zumutbare Maßnahmen abgewendet werden kann.
4. Bei Selbstständigen und Freiberuflern ist eine konkrete Existenzbedrohung zu verlangen, die nicht durch Vollstreckung im Urlaub oder Einstellung eines Fahrers zumutbar abzuwenden ist.
 

Rdn 1400

 

Literaturhinweise:

Deutscher, Zur Abwendung des Fahrverbots bei drohender Kündigung des Arbeitsplatzes, VRR 2005, 370

Fromm, Arbeitsplatz oder Verkehrssicherheit? Neue praktische Erfahrungen mit dem Wegfall von (Regel-)Fahrverboten gem. § 25 StVG wegen drohender Existenzgefährdung, NZV 2010, 1

Göhler, Zur Aussetzung der Anordnung eines Fahrverbots durch das BVerfG, NZV 1994, 343

Hartung, Kündigung eines Berufskraftfahrers wegen (vorübergehendem) Verlust der Fahrerlaubnis/Anordnung von Fahrverbot, VRR 2006, 252

Kappus, Das Risiko Fahrverbot im Arbeitsverhältnis, DAR 2017, 764

Krumm, "Dann mach doch Schulden" – zur Kreditaufnahme beim Fahrverbot, NZV 2007, 561

ders., Absehen vom (Regel-)Fahrverbot wegen beruflicher Härten, DAR 2009, 416

s. auch die Hinw. bei → Fahrverbot, Allgemeines, Rdn 1493 und → Fahrverbot, Absehen, allgemeine Gründe, Rdn 1376.

 

Rdn 1401

1.a) In der heutigen hochmobilen Welt bringt der auch nur 1 Monat dauernde erzwungene Verzicht auf das Kfz erhebliche Nachteile und Beeinträchtigungen mit sich. Gerade auf diesen Effekt zielt das Fahrverbot, um auf diese Weise eine erzieherische Wirkung beim Betroffenen für die Zukunft herbeizuführen. Der Verteidiger wird von seinem Mandanten bei einem drohenden Fahrverbot in aller Regel Gründe zu hören bekommen, weshalb bei ihm das Fahrverbot zu völlig unerträglichen Folgen führen würde. Damit stellt sich die Frage, welche Folgen beim Betroffenen so gewichtig sind, dass ein an sich anzuordnendes Fahrverbot unangemessen wäre und deshalb entfallen muss.

 

Rdn 1402

Liegen die Voraussetzungen einer der Regelfälle für ein Fahrverbot wegen grober oder beharrlicher Pflichtverletzung nach § 4 BKatV vor, wird zum einen die Vermutung ausgelöst, dass das Fahrverbot zur Einwirkung auf den Betroffenen erforderlich ist und zum anderen, dass die mit dem Fahrverbot verbundenen Folgen für den Betroffenen keine unangemessene Härte darstellen. Diese Vermutung kann mit der Folge widerlegt werden, dass nach § 4 Abs. 4 BKatV vom Fahrverbot unter Anhebung der Regelgeldbuße abzusehen ist (zur regional unterschiedlichen Handhabung Fromm NZV 2010, 6).

 

☆ Bei Nichtregelfällen nach § 25 Abs. 1 StVG muss die Angemessenheit ohne die Vermutungswirkung positiv festgestellt werden. Insoweit gelten die nachfolgenden Kriterien in gleicher Weise. Zu den formal strengeren Maßstäben beim Fahrverbot nach den §§ 24a, 25 Abs. 1 S. 2 StVG → Fahrverbot, Absehen, Trunkenheitsfahrt , Rdn 1466 .Nichtregelfällen nach § 25 Abs. 1 StVG muss die Angemessenheit ohne die Vermutungswirkung positiv festgestellt werden. Insoweit gelten die nachfolgenden Kriterien in gleicher Weise. Zu den formal strengeren Maßstäben beim Fahrverbot nach den §§ 24a, 25 Abs. 1 S. 2 StVG → Fahrverbot, Absehen, Trunkenheitsfahrt, Rdn 1466.

 

Rdn 1403

b) Grds. hat der Betroffene die mit dem Fahrverbot verbundenen Folgen für die überschaubare Dauer von bis zu 3 Monaten in aller Regel als selbst verschuldet hinzunehmen (statt vieler u.a. BayObLG NZV 1994, 37; OLG Hamm NZV 2000, 264; 2001, 90; 2002, 140). Typische Auswirkungen des Fahrverbots sind dem Betroffenen als vorhersehbare Folge stets zumutbar, zumal sie im Grundsatz alle Betroffenen in gleicher Weise treffen (BGHSt 38, 125, 231; BayObLG DAR 2001, 84; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996, 22).

 

☆ Folgen für die Allgemeinheit haben außer Betracht zu bleiben (a.A. AG Münster DAR 1995, 375 [Ls.]; AG Riesa DAR 2005, 109 für einen Feuerwehrmann; AG Geilenkirchen DAR 2007, 221 m. Anm. Herbert für einen Zahnarzt mit Notdienst). Trotz des Eingriffs in die Religionsfreiheit nach Art. 4 GG gilt das auch für einen katholischen Priester und jeden hauptamtlichen Geistlichen einer anderen Konfession oder Glaubensrichtung: Die mit der Ausübung dieser Ämter typischerweise verbundenen wesentlichen Aufgaben, darunter die ggf. kirchenrechtlich exklusive Legitimation zur (Einzel-)Sakramentsspendung, genügen unbeschadet der Auswirkungen auf die Berufstätigkeit nicht für ein Absehen vom Fahrverbot (BayObLG, Beschl. v. 27.4.2020 – 202 ObOWi 492/20, NJW 2020, 3539). für die Allgemeinheit haben außer Betracht zu bleiben (a.A. AG Münster DAR 1995, 375 [Ls.]; AG Riesa D...

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