Das Wichtigste in Kürze:

1. Für die Beweisaufnahme stehen das Streng- und das Freibeweisverfahren zur Verfügung.
2. Das Freibeweisverfahren gilt in der HV nur für die Feststellung von Prozessvoraussetzungen und sonstigen Prozesstatsachen.
3. Das Gericht kann das Freibeweisverfahren frei gestalten, es ist aber kein Verfahren nach Gut­dünken.
 

Rdn 1931

 

Literaturhinweise:

Artkämper, Form, Dokumentation und Beweisrecht – Revolution des Freibeweisverfahrens durch das Bundesverfassungsgericht?, StRR 2012, 164

Jahn, Strafverfolgung um jeden Preis? Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel, StraFo 2011, 117

Krause, Dreierlei Beweis im Strafverfahren, Jura 1982, 225

Schmidt, Dienstliche Äußerungen als Mittel der Freibeweisführung im Strafprozeß, SchlHA 1981, 2

ders., Über Eid und eidesstattliche Versicherung im strafprozessualen Freibeweisrecht, SchlHA 1981, 41

ders., Über Glaubhaftmachung im Strafprozeß, SchlHA 1981, 73

­Többens, Der Freibeweis und die Prozeßvoraussetzungen im Strafprozeß, NStZ 1982, 184

Willms, Wesen und Grenzen des Freibeweises, in: Festschrift für Bruno Heusinger, 1968, S. 393.

 

Rdn 1932

1. Für die Beweisaufnahme stehen das Streng- und das Freibeweisverfahren zur Verfügung, die sich wie folgt unterscheiden (zu allem eingehend KK-Krehl, § 244 Rn 8 ff. m. zahlr. weit. Nachw. aus der Rspr.):

Das Strengbeweisverfahren gilt zwingend für die Feststellung von Schuld- und Rechtsfolgentatsachen (BGH StV 1995, 339; OLG Celle StV 1995, 292). Auf dieses sind die Vorschriften über die förmliche Beweisaufnahme in den §§ 244–257 sowie der sich aus § 261 ergebende Grundsatz der Mündlichkeit und der Grundsatz der Öffentlichkeit der HV (§§ 169 ff. GVG) anzuwenden.
Das Freibeweisverfahren gilt in der HV nur für die Feststellung von Prozessvoraussetzungen und sonstigen Prozesstatsachen (Meyer-Goßner/Schmitt, § 244 Rn 7; s.u. Teil F Rdn 1933). Daneben gilt es bei allen Beweiserhebungen außerhalb der HV, z.B. im EV.
 

☆ Eine Tatsache kann doppelrelevant sein, also sowohl für die Schuld-/Rechtsfolgenfrage als auch für eine prozessuale Entscheidung Bedeutung haben (Beispiel: Die Tatzeit hat sowohl für den Schuldvorwurf als auch für die Verjährung Bedeutung). Diese Tatsachen müssen im Strengbeweisverfahren festgestellt werden, wenn sie für die Schuld- oder Rechtsfolgenentscheidung verwertet werden sollen (BGH StV 1991, 148 f. m.w.N.; NStZ 2013, 290 [für Alter des Angeklagten im Hinblick auf die sachliche Zuständigkeit]). Das Ergebnis bildet dann auch die Grundlage für die prozessuale Entscheidung (KK- Krehl , § 244 Rn 10 m.w.N.; Többens NStZ 1982, 185).Tatsache kann doppelrelevant sein, also sowohl für die Schuld-/Rechtsfolgenfrage als auch für eine prozessuale Entscheidung Bedeutung haben (Beispiel: Die Tatzeit hat sowohl für den Schuldvorwurf als auch für die Verjährung Bedeutung). Diese Tatsachen müssen im Strengbeweisverfahren festgestellt werden, wenn sie für die Schuld- oder Rechtsfolgenentscheidung verwertet werden sollen (BGH StV 1991, 148 f. m.w.N.; NStZ 2013, 290 [für Alter des Angeklagten im Hinblick auf die sachliche Zuständigkeit]). Das Ergebnis bildet dann auch die Grundlage für die prozessuale Entscheidung (KK-Krehl, § 244 Rn 10 m.w.N.; Többens NStZ 1982, 185).

 

Rdn 1933

2. Das Freibeweisverfahren gilt für die Feststellung von Prozessvoraussetzungen und sonstigen Prozesstatsachen. Es ist in der HV anwendbar zur Feststellung von Tatsachen in folgenden

 

Beispielsfällen:

zur Klärung der Voraussetzungen der genügenden Entschuldigung für ein Ausbleiben des Angeklagten in den Fällen der §§ 231 Abs. 2, 231a, 329 (→ Berufung, Verwerfung, Ausbleiben des Angeklagten, genügende Entschuldigung, Teil B Rdn 809; → Verhandlung ohne den Angeklagten, Teil V Rdn 3358),
bei ausländischen Zeugen zum einen zur Frage, ob diese Sachdienliches zur Klärung der Beweisfrage beitragen können (BGH NStZ 1995, 244; StV 1997, 511), zum anderen zur Frage, ob sie ggf. bereit sind, freiwillig zur HV zu erscheinen (→ Auslandszeuge, Teil A Rdn 482),
bei Beweisanträgen grds. zur Frage der tatsächlichen Voraussetzungen der Ablehnung (st.Rspr., vgl. u.a. BGHSt 39, 251; zuletzt BGH NJW 1998, 2753 f.; wegen der Einzelh. KK-Krehl, § 244 Rn 13),

zur Klärung der Frage der tatsächlichen Voraussetzungen von BVV (BGHSt 16, 164 [für § 136a Abs. 3 S. 2]; BGH NStZ 1996, 295 [für die Feststellung der Voraussetzungen des § 252]; 1997, 609 [für ausreichende Belehrung über das Recht, einen Verteidiger hinzuziehen zu können; krit. dazu Wollweber StV 1999, 355 in der Anm. zu BGH, a.a.O.]; Artkämper StRR 2012, 164; Jahn StraFo 2011, 117, 124; → Verlesung von Protokollen, Verlesung nach Zeugnisverweigerung, Teil V Rdn 3573; dazu Meyer-Goßner/Schmitt, Einl. Rn 51 ff.),

 

☆ Diese Frage ist ggf. vor der eigentlichen Beweiserhebung zur Sache selbst zu klären . Denn das, was nicht verwertet werden darf, darf in die Beweisaufnahme nicht eingeführt werden (wegen der Einzelh. →  Widerspruchslösung , Teil W Rdn  4012  ff.).vor der eigentlichen Beweiserhebung zur S...

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