Zusammenfassung
Auch wenn der Erbe eines Gesellschafters mit dem Erbfall vollumfänglich in dessen Rechtsposition eintritt, kann er aufgrund von § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG bis zu seiner Eintragung in die beim Handelsregister hinterlegte Gesellschafterliste keine wirksamen Gesellschafterbeschlüsse fassen. Dies kann im Todesfall eines Alleingesellschafters und -geschäftsführers zur Handlungsunfähigkeit und Führungslosigkeit der GmbH führen, sofern für diesen Fall keine Vorsorge getroffen wurde.
Rechtsstellung des Erben im Verhältnis zur Gesellschaft
Nach § 1922 BGB geht mit dem Todesfall das gesamte Vermögen des Erblassers auf den Erben über. Wie § 15 Abs. 1 GmbHG ausdrücklich anordnet, gilt dies auch für die Geschäftsanteile eines Gesellschafters. Dafür ist weder eine Handlung des Erben noch seine Kenntnis von dem Erbfall notwendig, sodass er mit dem Erbfall vollumfänglich in die Gesellschafterstellung des Erblassers eintritt. Es scheint daher auf der Hand zu liegen, dass er auch bereits ab diesem Zeitpunkt sämtliche Gesellschafterrechte ausüben kann.
Dem steht jedoch § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG entgegen. Danach gilt im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber eines Geschäftsanteils nämlich nur, wer in der im Handelsregister hinterlegten Gesellschafterliste eingetragen ist. Dies hat zur Folge, dass der Erwerber eines Geschäftsanteils grundsätzlich erst dann wirksame Rechtshandlungen gegenüber der Gesellschaft vornehmen kann. Auch wenn es dem Gesetzeswortlaut nicht ohne Weiteres zu entnehmen ist, soll die Vorschrift nach der Gesetzesbegründung und der überwiegenden Auffassung in der juristischen Literatur nicht nur im Falle eines rechtsgeschäftlichen Erwerbs eines Geschäftsanteils, sondern auch im Erbfall anwendbar sein.
Dies führt dazu, dass auch der Erbe bis zur Eintragung in die Gesellschafterliste gegenüber der Gesellschaft nicht wirksam handeln und damit auch keine wirksamen Gesellschafterbeschlüsse fassen kann, obwohl er bereits mit dem Erbfall vollumfänglich in die Rechtsstellung des verstorbenen Gesellschafters eingetreten ist. Dies kann bei jeder Gesellschaft problematisch werden, wenn kurz nach dem Tod des Gesellschafters wichtige Beschlüsse gefasst werden müssen.
Für die Einreichung der geänderten Gesellschafterliste ist grundsätzlich der Geschäftsführer der Gesellschaft zuständig. Er muss beim Tod eines Gesellschafters prüfen, auf wen der Geschäftsanteil übergegangen ist. Es steht im "pflichtgemäßen Ermessen" der Geschäftsführer, ob der Nachweis als geführt anzusehen ist (BGH NJW-RR 1996 S. 1377 f., BGH GmbHR 1997 S. 165, 166). In aller Regel ist dafür ein Erbschein erforderlich, wenn dem Geschäftsführer nicht ausnahmsweise ein öffentliches Testament mit Eröffnungsprotokoll des Nachlassgerichts vorgelegt werden kann. Die Erteilung eines Erbscheins kann allerdings einige Wochen bis mehrere Monate dauern. In dieser Zeit bleibt die Gesellschafterliste unverändert; der Erbe ist nicht als Gesellschafter eingetragen und kann daher auch keine Beschlüsse fassen.
Führungslosigkeit und Handlungsunfähigkeit der Ein-Personen-GmbH
Besonders problematisch ist die Situation bei der Ein-Personen-GmbH, bei der der einzige Gesellschafter auch gleichzeitig der einzige Geschäftsführer der Gesellschaft ist. Da das Amt des einzigen Geschäftsführers mit seinem Tod erloschen ist, muss zur Einreichung der geänderten Gesellschafterliste erst ein neuer Geschäftsführer durch die Gesellschafterversammlung bestellt werden. Gerade dies ist dem Erben des Gesellschafters aufgrund der Anwendung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG im Erbfall allerdings verwehrt, da er zu diesem Zeitpunkt ja eben noch nicht in der Gesellschafterliste eingetragen ist. Sprichwörtlich beißt sich die Katze hier also in den Schwanz, was zur Folge hat, dass die Gesellschaft führungslos und somit handlungsunfähig wird.
In der Praxis wird in diesen Fällen deshalb regelmäßig ein Notgeschäftsführer durch das Registergericht bestellt. Antragsberechtigt ist jeder, der ein schutzwürdiges rechtliches Interesse an der Notbestellung hat, d.h. der (vermeintliche) Erbe, Gläubiger der GmbH, die Mitarbeiter des Unternehmens (vgl. MüKoBGB/Leuschner, 9. Aufl. 2021, BGB § 29 Rz. 13). Der Notgeschäftsführer kann dann auf entsprechenden Erbnachweis eine neue Gesellschafterliste zum Handelsregister einreichen und anschließend zu der Gesellschafterversammlung laden, in der der Erbe sich dann entweder selbst oder einen Dritten zum neuen Geschäftsführer bestellen kann. Dieses Prozedere ist jedoch umständlich und zeitraubend, sodass für die Gesellschaft erhebliche Nachteile drohen, wenn – wie häufig – schnelle und wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen.
Noch problematischer wird es, wenn die Erben des Alleingesellschafters und -geschäftsführers nicht bekannt sind. So lag der Fall, den das KG Berlin Ende vergangenen Jahres zu entscheiden hatte (Beschluss v. 23.11.2022, 22 W 50/20). Dort war der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH verstorben, ohne ein Testament zu hinterlass...