Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Die Verglasung doppelverglaster Fenster gehört zum Gemeinschaftseigentum
Ein die Gemeinschaftsordnung bestätigender Kostenverteilungsbeschluss ist gültig
Als "Glasschaden" ist auch trüb oder blind gewordenes Isolierglas zu verstehen
Normenkette
§ 5 Abs. 1 WEG, § 5 Abs. 2 WEG, § 5 Abs. 3 WEG, § 10 Abs. 1 WEG, § 16 Abs. 2 WEG
Kommentar
1. Fenster in Sondereigentumsräumen (soweit es sich nicht nur um reine Innenfenster von Doppelfenstern mit selbstständigem Rahmen handelt) sind nach h.R.M. (vgl. auch ETW, Gruppe 3, Abschn. 2.2.3) in ihrer Gesamtheit zwingend Gemeinschaftseigentum, d.h. Teile des Gebäudes, durch deren Veränderung, Beseitigung oder Einfügung die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert wird und die für den Bestand und die Sicherheit des Gebäudes erforderlich sind (vgl. § 5 Abs. 1, Abs. 2 WEG). Ob dieser Meinung in vollem Umfange gefolgt werden kann oder ob nur die Außenseiten der Fenster als gemeinschaftliches Eigentum anzusehen sind (vgl. BayObLG, WM 91, 440) kann offen bleiben. Bei doppelverglasten Fenstern in einheitlichem Rahmen gehört jedenfalls auch die Verglasung zum gemeinschaftlichen Eigentum, da die Konstruktionseinheit nicht aufgespalten werden kann. Bei einer Entfernung nur der inneren oder äußeren Scheibe würde die gerade beabsichtigte Isolierwirkung stark herabgesetzt und die bestimmungsgemäße Funktion, Licht- und Witterungseinflüsse für die Gebäudeteile abzumildern, eingeschränkt (vgl. LG Frankenthal, DWE 88, 31/32).
2. Obliegt nach einer Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung die Behebung von Glasschäden an Fenstern im Bereich der zum Sondereigentum gehörenden Räume dem jeweiligen Wohnungseigentümer "ohne Rücksicht auf die Schadensursache", so ist ein Eigentümerbeschluss, der dem betreffenden Wohnungseigentümer die Kosten der Instandsetzung auferlegt, gültig. § 16 WEG kann insoweit nach h.R.M. durch entsprechende Vereinbarung abbedungen werden (wie hier geregelt). Damit entspricht der Eigentümerbeschluss der Regelung der Gemeinschaftsordnung. Er verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben, § 242 BGB (was in der Entscheidung näher begründet wird).
Vorliegend haben alle Eigentümer auch beschlossen, blind gewordene Fensterscheiben zu erneuern. Instandsetzung und Instandhaltung umfasst auch die Erneuerung im Sinne einer Ersatzbeschaffung, sofern durch sonstige Maßnahmen ein ordnungsgemäßer Zustand nicht mehr hergestellt werden kann (BayObLG, NJW 75, 2296/2297; WM 93, 562). Dies ist bei Feuchtigkeitsschäden an einer Isolierverglasung anzunehmen, so dass auch eine weitere Beschlussfassung keinen Rechtsmissbrauch darstellte.
3. Wenn eine Gemeinschaftsordnung von "Glasschäden"spricht, ist darunter auch nach dem normalen Sprachgebrauch und dem Wortsinn, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter darstellt, das Blindwerden einer zuvor durchsichtigen Glasscheibe zu verstehen. Wie bei einer Zerstörung, Splitterung oder starken Verkratzung verliert das Glas eine wesentliche Eigenschaft und ist zu erneuern.
Aus dem Umstand, dass die Glasversicherer für blind gewordene Glasscheiben keinen Ersatz zu leisten brauchen, lässt sich nicht folgern, die Eintrübung von Glasscheiben durch Feuchtigkeit werde normalerweise nicht als Glasschaden verstanden. Nach Allgemeinen Versicherungsbedingungen haftet ein Glasversicherer nur für das Zerbrechen einer Glasscheibe; Beschädigungen der Oberfläche (wie z.B. Schrammen und Kratzer), die auch als Glasschäden im normalen Sprachgebrauch bezeichnet werden, sind tatsächlich wie Eintrübungen kein versicherter Schaden.
Im vorliegenden Fall betraf also auch das Auswechseln blind gewordener Scheiben einer Doppelverglasung im Zuge anstehender Instandhaltung und Instandsetzung die gesamte Wohnungseigentümergemeinschaft; der Entscheidung des Landgerichts Bonn (PuR 2/92, 48) könne insoweit nicht gefolgt werden.
4. Keine außergerichtliche Kostenerstattung aufgrund unterschiedlicher Vorinstanzentscheidungen bei Geschäftswertansatz für die Rechtsbeschwerdeinstanz von 4.691,60 DM.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 23.02.1995, 2Z BR 129/94= WE 12/1995, 382)
Zu Gruppe 3: Begründung, Erwerb und Veräußerung; Umwandlung