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Eine Erfüllung des Mindestlohnanspruchs durch Sachbezüge nach § 107 Abs. 2 GewO ist eigentlich ausgeschlossen, weil gem. § 1 Abs. 2 der Mindestlohn in EUR geschuldet wird.
Ein Saisonarbeiter, der beispielsweise für ein paar Wochen im Jahr als Spargelstecher für einen Stundenlohn von 11 EUR pro Stunde arbeitet und neben seinem Stundenlohn kostenlos verpflegt wird, sowie eine Werksdienstwohnung zur Verfügung gestellt bekommt, könnte, wenn eine Anrechnung der kostenlosen Wohnung und der kostenlosen Logis nicht möglich wäre, künftig pro Stunde 1,41 EUR mehr verlangen. Damit wären dem Mitarbeiter künftig 12,41 EUR pro Stunde zu gewähren.
Die Problematik der Anrechnung von Sachleistungen wird teilweise durch Entsende-Richtlinien geregelt. Nach Art. 3 VII der Richtlinie 96/71/EG fallen Entsende-Zulagen nicht unter den Mindestlohn, wenn sie als Erstattung für tatsächlich entstandene Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten entsendeter Arbeitnehmer gezahlt werden. Für Unternehmen mit dem Sitz in einem Nicht-EU-Staat wird in Art. 20 der noch nicht umgesetzten Richtlinie für Saisonarbeiter vom 26.2.2014 geregelt, dass Unterbringungskosten nicht vom Lohn abgezogen werden dürfen. Entsprechendes gilt für Inlandssachverhalte. Dem Arbeitnehmer, dem durch die Besonderheit der Tätigkeit zusätzliche Unterbringungs-, Reise- und Verpflegungskosten entstehen, werden durch Zahlung des Arbeitgebers hierfür entstandene Aufwendungen ersetzt und nicht die normale Leistung vergütet. Daher gilt auch für Inlands-Saisonarbeiter, dass die Zahlung von Unterbringungskosten nicht auf die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns angerechnet werden darf.
Bei sonstigen Sachleistungen des Arbeitgebers stellt sich das Problem der Anrechenbarkeit auf den Mindestlohn in aller Regel deswegen nicht, weil § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO der Anrechenbarkeit entgegensteht. Danach darf der Wert der vereinbarten Sachbezüge oder die Anrechnung der überlassenen Waren auf das Arbeitsentgelt die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen. Damit ist die Vereinbarung von Sachbezügen zwar grundsätzlich möglich, tatsächlich besteht dafür jedoch nur wenig finanzieller Spielraum, da der pfändbare Teil eines Arbeitseinkommens bei einer Vollzeittätigkeit mit einem Stundenlohn in Höhe von 12,41 EUR minimal ist. Sofern die Pfändungsfreigrenzen jedoch ausreichend "Luft" lassen, ist es, wie sich aus § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO ergibt, möglich, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer Sachbezüge als Teil des Arbeitsentgelts vereinbaren. Zu beachten ist dabei, dass die Vereinbarung dem Interesse des Arbeitnehmers oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entsprechen muss und diese Sachbezüge nicht, wie oben bereits dargestellt, vom Arbeitgeber zu erstattende Aufwendungen darstellen dürfen.