1. Gemäß einer Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1999 besteht für den Berechtigten eine Wahrheitspflicht während und außerhalb des Prozesses. Der BGH hat das jedoch nur entschieden für einen vorausgehenden Vergleich, aus dem sich eine Informationspflicht ergebe. Das wird jedoch genau so gelten müssen, wenn ein Urteil vorausgeht. Es kann nicht unterschieden werden zwischen einem vorherigen Vergleich und einem Urteil, denn die Wahrheitspflicht besteht in beiden Fällen. So hat der BGH auch für die prozessuale Wahrheitspflicht entschieden, die während eines laufenden Prozesses gilt, also zu einem Zeitpunkt, zu dem man noch nicht weiß, ob der Prozess mit einem Urteil oder einem Vergleich enden wird.
Ebenso müssen der Berechtigte und der Verpflichtete bei der Wahrheitspflicht gleich behandelt werden. Es geht nicht an, bei dem Verpflichteten nur einen evident unredlichen Verstoß gegen die Wahrheitspflicht zu sanktionieren, während man beim Berechtigten den Verstoß gegen die Wahrheitspflicht ausreichen lässt, auch wenn er nicht evident unredlich war. Bei beiden kann der Unterhaltsanspruch durch den Verstoß gegen die Wahrheitspflicht zur Verminderung oder Vergrößerung des Unterhaltsanspruchs führen (beim Berechtigten, wenn er z.B. eine aufgenommene Arbeit nicht anzeigt; beim Verpflichteten, wenn er eine Einkommenssteigerung nicht anzeigt).
Bei beiden – dem Berechtigten wie dem Verpflichteten – wird man aber die Fälle ausnehmen müssen, in denen sich keine "wesentliche Veränderung" i.S.v. § 323 Abs. 1 ZPO ergibt.
2. Der Verstoß gegen die ungefragte Informationspflicht (die sich auf §§ 242, 1353, 1605 analog, 1618a BGB gründet) kann eine Schadensersatzpflicht gem. §§ 241 Abs. 2, 280, 282 BGB (pVV) oder gem. § 286 BGB auslösen (Auskunftserteilung). Er kann ferner einen Schadensersatzanspruch gem. §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB ergeben, das ist in der Regel wegen der Wahrheitspflicht innerhalb und außerhalb des Prozesses der Fall. § 826 BGB spielt daneben nur eine Rolle, wenn die Voraussetzungen eines Betruges ausnahmsweise nicht gegeben sind. § 1579 Nr. 2 und 4 BGB spielt nur insoweit eine Rolle, als der Berechtigte sich eines Verbrechens oder schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten schuldig gemacht hat oder sich über schwerwiegende Vermögensinteressen hinweggesetzt hat – also praktisch Fälle, in denen der Berechtigte gegen die Wahrheitspflicht verstoßen hat –, dann kann er auch seinen Unterhaltsanspruch für die Zeit danach verlieren.