1. Der Klärungsanspruch
In § 1598a Abs. 1 BGB ist nunmehr gesetzlich festgelegt, dass die Familienmitglieder (rechtlicher Vater, Mutter und Kind) gegeneinander einen Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und auf Duldung der Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe haben. Zweifelt der rechtliche Vater an seiner Vaterschaft, kann er nunmehr also von der Mutter und dem Kind verlangen, dass diese in eine genetische Abstammungsuntersuchung einwilligen. Entsprechendes gilt für die Mutter, die sich nicht sicher ist, ob das Kind vom rechtlichen Vater abstammt. Aber auch das Kind kann, selbst wenn es schon längst erwachsen ist, von seinen Eltern verlangen, dass diese in eine genetische Abstammungsuntersuchung einwilligen.
Keinen Klärungsanspruch nach § 1598a Abs. 1 BGB hat der potenzielle biologische Vater. Insoweit bestehen aber die Möglichkeiten der Anfechtungsklage und der Feststellungsklage. In beiden Fällen ist im Interesse des Kindes sichergestellt, dass der biologische Vater nicht nur seine Vaterschaft klären lässt, sondern auch die rechtliche Verantwortung für das Kind übernimmt. Umgekehrt kann gegen den potenziellen biologischen Vater auch kein Klärungsanspruch geltend gemacht werden.
2. Die Ersetzung der Einwilligung
Willigen ein oder mehrere Familienmitglieder nicht in die Abstammungsuntersuchung ein, kann der Anspruch auf Einwilligung gerichtlich durchgesetzt werden. Das Familiengericht ersetzt auf Antrag die fehlende Einwilligung und ordnet die Duldung der Probeentnahme an (§ 1598a Abs. 2 BGB). Dem Gericht steht bei seiner Entscheidung kein Ermessensspielraum zu. Liegen die Voraussetzungen des § 1598a Abs. 1 BGB vor, gehört also der Anspruchsteller zu dem Kreis der Klärungsberechtigten und die Anspruchsgegner zum Kreis der Klärungsverpflichteten, hat das Familiengericht grundsätzlich die Einwilligung zu ersetzen und die Duldung der Probeentnahme anzuordnen. Vor seiner Entscheidung hat das Familiengericht allerdings zu prüfen, ob das Verfahren gegebenenfalls nach § 1598a Abs. 3 BGB auszusetzen ist.
3. Die Aussetzung des Verfahrens
In den Fällen, in denen die Klärung der Abstammung eine Kindeswohlbeeinträchtigung begründen würde, hat das Familiengericht das Verfahren unter folgenden Voraussetzungen auszusetzen: a) Es muss um eine erhebliche Kindeswohlbeeinträchtigung gehen, b) die Kindeswohlbeeinträchtigung muss durch die Klärung der Abstammung begründet werden, c) eine Abwägung mit den Belangen des Klärungsberechtigten muss ergeben, dass die Kindeswohlbeeinträchtigung für das Kind unzumutbar wäre. Eine erhebliche Kindeswohlbeeinträchtigung kann etwa bei einer durch die Klärung der Abstammung drohenden schweren psychischen Erkrankung des Kindes vorliegen. Bestehen konkrete Anhaltspunkte für eine solche Kindeswohlbeeinträchtigung, hat das Familiengericht zu prüfen, ob die genannten Voraussetzungen vorliegen und das Verfahren auszusetzen ist.
4. Verfahrensrechtliche Vorschriften
Bei dem Verfahren nach § 1598a Abs. 2 BGB handelt es sich um eine Kindschaftssache (§ 640 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Es richtet sich jedoch im Wesentlichen nach den Vorschriften des FGG (§ 621a Abs. 1 Satz 1 ZPO). Zuständig ist das Familiengericht (§ 621 Nr. 10 ZPO) am Wohnsitz des Kindes (§ 64 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 36 Abs. 1 FGG). Das Verfahren wird durch einen Antrag eingeleitet.
Das Kind kann in einem gerichtlichen Verfahren nach § 1598a Abs. 2 BGB nicht von seinen Eltern vertreten werden (§ 1629 Abs. 2a BGB). Das Familiengericht hat daher für ein minderjähriges Kind stets einen Ergänzungspfleger zu bestellen.
Vor seiner Entscheidung soll das Familiengericht beide Elternteile und ein Kind, welches das 14. Lebensjahr vollendet hat, persönlich anhören; ein jüngeres Kind kann das Familiengericht anhören (§ 56 Abs. 1 FGG). Zudem kann das Familiengericht das Jugendamt anhören (§ 49a Abs. 2a FGG). Das Jugendamt wird dem Kind bereits häufig als Ergänzungspfleger beigeordnet und insoweit am Verfahren beteiligt sein, in diesen Fällen ist eine Anhörung des Jugendamtes nach § 49a Abs. 2a FGG grundsätzlich nicht erforderlich, da sie eine doppelte Beteiligung des Jugendamtes bedeuten würde.
5. Entscheidung, Rechtsmittel und Vollstreckung
Das Familiengericht entscheidet durch Beschluss, der mit der Beschwerde und ggf. der Rechtsbeschwerde anfechtbar ist (§ 621e ZPO).
Die rechtskräftige Entscheidung kann nach § 33 FGG vollstreckt werden. Weigert sich die zu untersuchende Person, eine Probeentnahme zu dulden, können also Zwangsgeld und Zwangshaft angedroht und verhängt werden. § 56 Abs. 4 Satz 1 FGG sieht vor, dass die Vollstreckung ausgeschlossen ist, wenn die Art der Probeentnahme der zu untersuchenden Person nicht zugemutet werden kann. Dies wird allerdings nur in Ausnahmefällen der Fall sein, etwa wenn durch die Probeentnahme gesundheitliche Schäden für die zu untersuchende Person zu befürchten sind (z.B. wenn bei einem Bluter eine Blutprobe entnomm...