Ingeborg Rakete-Dombek
Die Anzahl der Ehescheidungsanträge soll – entgegen der landläufig vertretenen Meinungen vom Anstieg der Scheidungszahlen – seit dem Jahr 2005 stetig zurückgegangen sein. Die meisten Anträge stammen immer noch von Frauen. Auch hier ist aber eine Absenkung der Anträge zu verzeichnen. Böse Stimmen behaupten schon, das liege am neuen Unterhaltsrecht, das deutlich "eheerhaltende Elemente" aufweise. Das kann man wohl (noch) nicht ernsthaft vertreten, obwohl die Grundzüge der Reform bereits seit 2005 in der öffentlichen Diskussion waren. Die Zahlen für 2008 werden daher interessanter sein.
Trotz aller Unwägbarkeiten der konkreten Scheidungsrisiken geben die Statistiker weiterhin an, dass in Deutschland mehr als ein Drittel aller Ehen früher oder später durch die Gerichte geschieden werden wird. Das ist nun eigentlich nichts Neues.
Rechtlich wird die Ehe allerdings trotz dieser Zahlen auf Lebenszeit geschlossen, so steht es jedenfalls in § 1353 BGB. Das Lebenszeitprinzip ist in den Gesetzentwurf der Eherechtsreform von 1977 aufgenommen worden, um der Rechtsprechung zu verdeutlichen, dass die Scheidung die Ausnahme und der Grundsatz der Ehe auf Lebenszeit die Regel sei. Dieses Regel/Ausnahmeverhältnis war die Gesetz gewordene Wunschvorstellung des damaligen Gesetzgebers. Damit sollte der Anschein einer Scheidungserleichterung vermieden werden, der durch die Einführung des Zerrüttungsprinzips hätte entstehen können. Durch die Verknüpfung des Verfahrensrechts in § 630 ZPO mit dem materiellen Scheidungsrecht der einverständlichen Ehescheidung in § 1566 Abs. 1 BGB wurde ein weiteres Ehescheidungshindernis damals eingebaut.
Alles nur Feigenblätter und fromme Wünsche? Konnte dieser Anschein damit wirklich vermieden werden?
Ehrlicherweise muss man feststellen, dass § 630 ZPO von Anbeginn an gesetzeswidrig unterlaufen wurde, wodurch zwischen dem gesetzlichen Anspruch an eine einverständliche Ehescheidung und der Realität des Scheidungsverfahrens ein erheblicher Widerspruch – und nicht nur etwa in Einzelfällen – bestand. "Eheerhaltende Elemente", die zumindest den Anschein des Regel/Ausnahmeverhältnisses hätten aufrechterhalten können, konnten damit – wie die Statistik zeigt – im gerichtlichen Alltag nicht wirksam werden.
Der Mühe, den Anschein einer Scheidungserleichterung zu vermeiden, muss sich der heutige Gesetzgeber sowohl bei der Unterhaltsreform als auch im kommenden FamFG offenbar nicht mehr unterziehen. Die Ehescheidung wird so "light", wie sie – jedenfalls offen bekundet – noch nie war. Der Grundsatz der Eigenverantwortung tilgt die Folgen der Ehe möglichst schnell, wie auch das Schlagwort vom ehebedingten Nachteil zeigt. Danach möge man die Dinge doch besser so betrachten, als habe die Ehe nie bestanden und als ob die gemeinsamen Kinder nie geboren worden wären.
Weitere Scheidungserleichterungen wird das FamFG zum 1.9.2009 bringen: Die erleichterte Abtrennung des Versorgungsausgleichs durch § 140 Nr. 4 FamFG bereits nach 3 Monaten wird ein Übriges dazu tun, eine "Ruck-Zuck-Ehescheidung" getreu dem derzeit so beliebten Prinzip der Beschleunigung schnellstens aussprechen zu können. Auch die Frist in § 137 FamFG, wonach Folgesachen bis zu zwei Wochen vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung anhängig gemacht werden müssen (andernfalls landen sie nicht mehr im Verbund), könnte dazu führen, dass die anwaltlich nicht vertretene Partei erst recht davon absehen wird, das Scheidungsverfahren mangels Beratung über im Verbund zu stellende Ansprüche zu "verzögern".
Durch das FamFG wird der Rechtsgedanke der vorgerichtlichen Einigung aus dem verschwindenden § 630 ZPO nun in eine Formvorschrift bei § 133 Abs. 2 FamFG übertragen. Danach muss im Ehescheidungsantrag lediglich mitgeteilt werden, ob eine Einigung über die Ehescheidungsfolgen erfolgt ist, nicht aber in welcher Weise. Es handelt sich zukünftig lediglich noch um eine Frage der Zulässigkeit des Scheidungsantrags. Die Familiengerichte können die Scheidung dann in allen Fällen aussprechen, bei denen die Ehegatten seit mindestens einem Jahr getrennt leben und beide der Scheidung zustimmen. Insoweit nähert sich das neue Recht durchaus der seit 1977 gegen den Willen des Gesetzgebers praktizierten Rechtswirklichkeit an, die dessen Wunschgedanken hartnäckig ignoriert hat.
Diese Erleichterung der Ehescheidung ist bereits als "Ehescheidung ultralight" (Münch, FamRB 2007, 251) bezeichnet worden bzw. als Weg in die "Konsensualscheidung", die verfassungsrechtlichen Bedenken begegne, da "eheerhaltende Elemente" wie vormals § 630 ZPO nun gar nicht mehr erkennbar seien. Die Diskussion darüber, ob Art. 6 GG derartige "eheerhaltende Elemente" tatsächlich erfordert, also das institutionelle Eheverständnis nun – auch ohne Feigenblatt – keine Geltung mehr beanspruchen kann, ist allerdings öffentlich bisher nicht wirklich geführt oder offensiv mit dem sonst regelmäßig vom Gesetzgeber bemühten "Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse" etwa nachvollziehbar begründet worden. D...