Anfangsvermögen
Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass das noch geltende Recht durch Ignorierung von Tilgungsgewinnen das wirtschaftliche Ergebnis der Ehe nicht immer treffend abbildet. Dieser Gesichtspunkt hat seit der Einführung des Zugewinnausgleichs erheblich an Bedeutung gewonnen, weil heute erheblich öfter als früher ein Ehegatte Schulden mit in die Ehe bringt. Durch die Streichung der Einschränkung "die Verbindlichkeiten können nur bis zur Höhe des Vermögens abgezogen werden" und die Hinzufügung des Abs. 3 in § 1374 BGB werden Schulden, auch soweit sie den Betrag des Vermögens übersteigen, berücksichtigt (negatives Anfangsvermögen). Hierdurch werden die bisherigen, in Einzelfällen erzielten ungerechten Ergebnisse vermieden (ein Ehegatte mehrt sein Vermögen durch Schuldentilgung in der Ehezeit, vielleicht sogar durch Tilgungsleistungen des anderen; manchmal kann er, wenn der andere Ehegatte einen Zugewinn erwirtschaftet hat, von diesem obendrein noch einen Ausgleich verlangen).
Verluste werden allerdings weiterhin nicht geteilt, weil dies den Grundsätzen der Zugewinngemeinschaft widerspräche und letztlich Dritten, nämlich den Gläubigern, zugute käme. Auch nach dem Anfangsstichtag eingegangene und vor dem Endstichtag getilgte Schulden bleiben weiterhin unberücksichtigt. Auch begründet die Neuregelung nicht eine Mithaftung des anderen Ehegatten, der im Außenverhältnis weiterhin nicht an den Schulden beteiligt ist, wie die dingliche Rechtsposition an den einzelnen Vermögensgegenständen überhaupt unverändert bleibt.
Abs. 3 stellt durch seine systematische Stellung klar, dass negatives Anfangsvermögen auch für nach Abs. 2 privilegierten Zuerwerb gilt. Ebenso, wie der andere Ehegatte nicht an privilegiertem Zuerwerb teilhaben soll, weil dieser nicht eine gemeinsame Lebensleistung der Ehegatten verkörpert, soll er nicht für "privilegierte Schulden" einstehen. Beispiel: AV 0 EUR, privilegierter Zuerwerb -10.000 EUR (positiver Zuerwerb 20.000 EUR – 30.000 EUR Schulden), EV 50.000 EUR: Zugewinn 60.000 EUR. Hierdurch wird also bewirkt, dass die Annahme eines überschuldeten Nachlasses, etwa aus Pietätsgründen, den anderen Ehegatten nicht benachteiligt. Der Erwerber wird lediglich durch § 1378 BGB geschützt (die nach dem ersten Gesetzesentwurf noch vorgesehene Kappungsgrenze von 50 % ist allerdings entfallen, s.u.).
Endvermögen
Schulden werden auch im Endvermögen berücksichtigt (§ 1375 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dies ist die notwendige Konsequenz der Berücksichtigung im Anfangsvermögen, da, wenn eine wirtschaftliche Betrachtung erfolgen soll, dies zu beiden Stichtagen geschehen muss. Der durch Schuldentilgung erwirtschaftete Zugewinn ist somit (trotz § 1378 BGB) auch in Fällen relevant, wo das Endvermögen überschuldet ist, da dieser Zugewinn als Rechnungsposten dem Zugewinn des anderen Ehegatten gegenübersteht.
Die im Regierungsentwurf vorgesehene Kappungsgrenze in Höhe der Hälfte des schuldenbereinigten Endvermögens ist gestrichen worden. Sie beruhte auf Gerechtigkeitserwägungen, wonach der eine Ehegatte dem anderen nicht sein gesamtes Endvermögen übertragen müsse. Dieses Argument musste dem Ausgleich von Tilgungsgewinnen weichen, was bei vollständiger wirtschaftlicher Betrachtung auch konsequent, gerecht und deshalb überzeugend ist. Der Ausgleichsschuldner muss also notfalls sein gesamtes Endvermögen einsetzen. Seinem Interesse wird genügt, weil er Tilgungsgewinne nicht ausgleichen muss, wenn kein Vermögen mehr vorhanden ist, solange er sich nicht illoyal verhalten hat (§ 1378 Satz 2). Außerdem wird der Halbteilungsgrundsatz nicht angetastet.
Der illoyale Schuldner hingegen muss infolge von § 1378 Abs. 2 Satz 2 die Erfüllung der Ausgleichsforderung mangels Endvermögen entweder drittfinanzieren oder er riskiert die Insolvenz, was sicher nicht eines gewissen präventiven Effektes entbehrt.
Im Übrigen hängt sowohl beim loyalen (Satz 1) als auch beim illoyalen Ehegatten (Satz 2) die Verwirklichung des (erst mit Scheidungsrechtskraft fälligen, § 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB) Zugewinnausgleichsanspruchs davon ab, dass noch reales, nicht lediglich durch § 1375 Abs. 2 BGB geschaffenes fiktives Vermögen vorhanden ist, sodass die Problematik in vielen Fällen lediglich auf die Vollstreckungsebene verlagert wird.