Prof. Dr. Dr. Thomas Gergen
Des Weiteren gibt es eine bedeutende Ausnahme, die zwar klagbare familienrechtliche Ansprüche zulässt, die jedoch nicht mithilfe der staatlichen Zwangsvollstreckungsorgane vollstreckt bzw. durchgesetzt werden können. Dies gilt etwa für den Fall der Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft aus § 1353 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB und der daraus fließenden Rechte wie z.B. auf ein in Gemeinschaft geführtes Leben, Wahrung der ehelichen Treue bzw. Beendigung einer Beziehung zu einem Dritten oder auf ein erneutes Zusammenziehen oder auf Sorge um die gemeinsamen Angelegenheiten. Hierbei wird die Zwangsvollstreckung nach § 120 Abs. 3 FamFG i.V.m. § 888 Abs. 3 ZPO versagt.
1. § 1353 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB
Gem. § 120 Abs. 3 FamFG, § 888 Abs. 3 ZPO wird vom Staat Zurückhaltung verlangt. Diese Forderung ist auch berechtigt, denn der Staat kann mit staatlichen Zwangsmitteln im inneren Bereich der Ehe, die im Kern aus einer "Verbindung der Herzen und Willen" besteht, nicht helfen. Anders formuliert: Wenn die entsprechende Überzeugung bzw. Einsicht des Vollstreckungsschuldners fehlt, hat die Durchsetzung eines solchen Rechts für die Aufrechterhaltung der ehelichen Gemeinschaft keinen Sinn. Andererseits kann sich das Recht im Konfliktfall demjenigen, dem Unrecht zugefügt wird, nicht gänzlich verweigern. Dabei wird zwischen personalen, d.h. ausschließlich in der Ehe begründeten Pflichten einerseits, und wirtschaftlichen Pflichten andererseits unterschieden. Zur Erfüllung von personellen Ehepflichten kann im Rahmen der Herstellungsklage geklagt werden. Das Urteil kann jedoch nicht durch äußeren Zwang durchgesetzt werden, so dass einem der Eheherstellungsklage stattgebenden Urteil lediglich eine Appellwirkung zukommt. Bei ehelichen Pflichten wirtschaftlichen Inhalts, wie bei Unterhaltsansprüchen oder Ansprüchen aus dem ehelichen Güterrecht, ist dagegen eine Geltendmachung außerhalb der Herstellungsklage im gewöhnlichen Rechtsstreit möglich und kann auch ohne Vollstreckungshindernis nach § 888 Abs. 3 ZPO vollstreckt werden.
2. § 1619 BGB
Ebenfalls gilt dies für die Arbeitspflicht des Kindes. Nach § 1619 BGB ist das Kind, solange es im Elternhaus lebt, verpflichtet, entsprechend seinen Kräften und seiner Lebensstellung den Eltern zu Hause und im Geschäft zu helfen. Der Umfang der Arbeits- bzw. Hilfspflicht bestimmt sich nach Alter, Gesundheit, seiner körperlichen und geistigen Fähigkeit sowie nach der Hilfebedürftigkeit der Eltern und ob sich das Kind in einer Ausbildung befindet. Die Zwangsvollstreckung wird indes ebenfalls nach § 888 Abs. 3 ZPO analog versagt.
3. §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB analog
a) Anspruch auf Unterlassung ehewidrigen Verhaltens oder auf Beseitigung eines ehewidrigen Zustands
Ein Anspruch auf Unterlassung ehewidrigen Verhaltens (sog. quasi-negatorischer Unterlassungsanspruch) gem. §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB analog scheint problematisch, da die Ehe kein absolutes Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB darstellt. Zu fragen ist auch, wie sich die Problematik des § 120 Abs. 3 FamFG auf eine deliktsrechtliche Unterlassungsklage auswirkt. Denn selbst wenn die Ehe ein absolut geschütztes Rechtsgut i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB wäre, so wird doch dem betrogenen Ehepartner die Möglichkeit gegeben, gegen den untreuen Partner gem. § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB vorzugehen.
Die Nicht-Vollstreckbarkeit gem. § 120 Abs. 3 FamFG ist daher lediglich eine gesetzliche Wertung im Hinblick auf den besonderen Charakter des ehelichen Rechtsverhältnisses und darf keine Anwendung bei deliktsrechtlichen Vorschriften finden!
b) Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch bei Eingriff in absolute Rechte des verletzten Ehepartners
Wie bereits beschrieben, fällt die Ehe nicht unter ein absolut geschütztes Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB. Die Rechtsprechung hat jedoch ein weiteres geschütztes Rechtsgut hinzugefügt: das Recht auf den Schutz des "räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe", worunter die Ehewohnung und die ihr eng verbundenen Geschäftsräume fallen. Dieser Anspruch wurde aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht entwickelt. Nur wenn dieses verletzt wird, kann ein Unterlassungsanspruch begründet werden. Denn die Beseitigung der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat Vorrang vor dem Schutz vor dem äußeren Zwang durch § 120 Abs. 3 FamFG.
Folglich kann durch § 823 Abs. 1 BGB mithilfe eines vom BGH entwickelten Persönlichkeitsrechts in Form des räumlich-gegenständlichen Bereiches § 120 Abs. 3 FamFG umgangen und der Anspruch aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB auf Einhaltung der ehelichen Pflichten, hier die eheliche Treuepflicht, durch §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG im Bereich der Ehewohnung und der Geschäftsräume geltend gemacht werden.