Prof. Dr. Dr. Thomas Gergen
A. Einführung: Familienrechtliche Ansprüche
Familienrechtsverhältnisse erzeugen Ansprüche i.S.d. Legaldefinition des § 194 Abs. 2 BGB. Fraglich ist oftmals, ob die allgemeinen Vorschriften des BGB oder des Schuld- und Sachenrechts auf familienrechtliche Ansprüche analog Anwendung finden oder ob die Anspruchsgrundlagen und deren Durchsetzung eigenen Regeln folgen.
Die allgemeinen Vorschriften des BGB können grundsätzlich angewandt werden, doch muss immer geprüft werden, ob nicht gesetzlich angeordnete oder aus der Natur der Sache fließende Besonderheiten eine abweichende Regelung erzwingen. Eine prominente Anspruchsgrundlage ist natürlich der Anspruch der gesetzlichen Mitverpflichtung des Ehegatten (§ 1357 BGB) sowie der Herausgabe von Hausratsgegenständen nach § 1361a Abs. 1 S. 1 BGB. Praxisrelevant sind die Ansprüche des § 1570 oder § 1615 BGB im Unterhaltsrecht sowie die Neuregelung von Auskunftsansprüchen nach § 1379 BGB: Vor der Reform des Zugewinnausgleichs gab es weder einen Auskunftsanspruch hinsichtlich des Anfangsvermögens noch einen Anspruch auf Vorlage von Belegen zu Kontrollzwecken. Auskünfte über illoyale Vermögensminderungen konnten bis dato lediglich nach § 242 BGB verlangt werden. In § 1379 wurde jüngst ein echter Auskunftsanspruch mit Belegvorlage zum Trennungszeitpunkt eingeführt.
Spannend im Feld der Ansprüche sind die Probleme, ob bestimmte Ansprüche überhaupt einklagbar und, wenn ja, vollstreckbar sind. Können diese Ansprüche auch übertragen und vererbt werden? Um diese Fragen geht es in einem ersten Schritt, sodann um die Verjährung von familienrechtlichen Ansprüchen. Schließlich stehen Abweichungen des Familienrechts von anderen Rechtsgebieten des BGB im Mittelpunkt.
B. Besonderheiten bei familienrechtlichen Ansprüchen
I. Nicht einklagbare Ansprüche
Grundsätzlich sind Ansprüche im Familienrecht wie andere Ansprüche einklag- und durchsetzbar. Dazu zählen beispielsweise Unterhaltsansprüche der Ehegatten, des geschiedenen Ehegatten, des Kindes sowie eines sonstigen unterhaltsberechtigten Verwandten oder Ausgleichsansprüche auf den Zugewinn. Das Gesetz enthält jedoch auch zahlreiche Sonderregelungen.
In gewissen Fallsituationen wird beispielsweise eine Klagemöglichkeit verweigert, obwohl die familienrechtliche Beziehung zwischen den Beteiligten als Rechtsverhältnis gesehen wird. Unter einem familienrechtlichen Rechtsverhältnis versteht man solche Rechtsverhältnisse, die als Grundtatbestand die Ehe, Lebenspartnerschaft oder Abstammung enthalten sowie Rechtsverhältnisse, die sowohl als Vorstufe zur Ehe, wie beispielsweise das Verlöbnis, wie auch als Ersatz oder Funktionsersatz zur Abstammung, wie beispielsweise die Adoption oder Vormundschaft, begründet werden. Dabei sind sie entweder auf Lebenszeit angelegt (wie etwa idealiter bei der Ehe oder der Verwandtschaft) oder bis zum Erreichen einer bestimmten Altersgrenze bzw. einer wirtschaftlichen Selbstständigkeit befristet (wie beispielsweise beim Kindesunterhalt oder der elterlichen Sorge).
Die Unklagbarkeit des Verlöbnisses ist im Eherecht sogar ausdrücklich normiert: Aus dem Verlöbnis kann nach § 1297 BGB nicht auf Eingehung der Ehe geklagt werden. Der Wille zur Eheschließung muss frei sein und ein Zwang zur Eheschließung wäre anstößig. Auch andere Ansprüche sind nicht einklagbar; es gibt keinen einklagbaren Anspruch auf Gewährung des Geschlechtsverkehrs aus der ehelichen Gemeinschaft i.S.d. § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB.
Ebenso wenig existiert im strengen Sinne ein einklagbarer Anspruch zwischen Eltern und ihren Kindern, wenn es um die Befolgung von Anordnungen geht. Die Eltern sind auf "Selbsthilfe" angewiesen und können nicht einklagen, dass das minderjährige Kind die Anweisungen der Eltern befolgen soll, wenn es diese ignorieren sollte. Sie können allenfalls das Familiengericht anrufen und um Unterstützung nach § 1631 Abs. 3 BGB, oder um Bestellung eines Vormunds gem. §§ 1800, 1631 Abs. 3 BGB, bitten. Im Wege der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§§ 162, 205, 159 FamFG ) prüft das Gericht, ob die beabsichtigte Erziehungsmaßnahme zweckmäßig ist und dem Kindeswohl dient. Falls dies nicht der Fall sein sollte, muss das Gericht seine Unterstützung verweigern.
Beispiel: Wenn die Eltern ihr Kind vor schädlichen Einflüssen schützen wollen, müssen sie dies im Rahmen der Selbsthilfe tun, etwa mit Ermahnungen, Taschengeldentzug oder Ausgeh- und Umgangsverboten etc. "In geeigneten Fällen" (so § 1631 Abs. 3 BGB) hilft das Familiengericht dabei, z.B. durch Vorladung des Kindes, Gespräch mit dem Kind und Ermahnungen.