Herbsttagung und Mitgliederversammlung der AG Familienrecht in Hannover
[Ohne Titel]
Der Geschäftsführende Ausschuss der ARGE Familienrecht: RAin Saathoff, RA Weil, RA Dr. Grandel, RAuNin Rakete-Dombek, RAin Martin (DAV), RA Schausten, RAin Niebergall-Walter, RAin Becker.
Die jährliche Herbsttagung der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht fand vom 25. bis 27. November in Hannover statt. Familienrechtliche Konflikte außerhalb der Ehe standen in diesem Jahr im Mittelpunkt der Tagung. Denn immer mehr Paare entschließen sich, auch ohne Trauschein mit ihren Kindern zusammenzuleben. Und immer mehr Geschiedene leben in neuen Konstellationen zusammen, bilden mit eigenen Kindern und den Kindern der Partner Patchwork-Familien.
Vielfalt der Lebensformen
Aus den neuen gesellschaftlichen Voraussetzungen und der Vielfalt der Lebensformen ergeben sich brisante Fragen des Familienrechts. Wie sind Vereinbarungen außerhalb der Ehe sinnvoll zu schließen? Was passiert mit dem gemeinsamen Haus, in dem ein Paar viele Jahre zusammenlebte, wenn es sich trennt? Was passiert mit dem Vermögen, das gemeinsam erwirtschaftet wurde? Namhafte Rechtsanwälte, Richter, Notare und Universitätsprofessoren halfen dabei, Antworten zu finden. Nicht in jedem Fall jedoch gibt es die eine richtige Wahrheit. Zum Beispiel, wenn es um die gemeinsame elterliche Sorge bei nicht Verheirateten geht. Hier gibt es zwei Gerichtsentscheidungen auf höchster Ebene. Das Bundesverfassungsgericht sah das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes aus Art. 6 Abs. 2 GG dadurch verletzt, dass er nach geltendem Recht ohne Zustimmung der Mutter generell von der Sorgetragung für sein Kind ausgeschlossen ist. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden, dass deutsche Väter außerehelich geborener Kinder beim Zugang zur gemein-brsamen elterlichen Sorge diskriminiert seien. Bei der jetzt anstehenden Gesetzesänderung stehen zwei Modelle zur Debatte: das so genannte automatische Modell, das den Vater, der die Vaterschaft anerkennt und eine Erklärung zur Sorge abgibt, automatisch in die gemeinsame Sorge einbezieht, und das Antragsmodell, das es erstmal bei der Alleinsorge der Mutter belässt. Will der Vater sich an der Sorge beteiligen und die Mutter stimmt nicht zu, dann soll er das Familiengericht anrufen können. Über beide Modelle wird unter Familienrechtlern heftig gestritten, auch bei der Herbsttagung in Hannover. "Wir sind also mitten im brodelnden Fluss der gesetzlichen Neuregelung und das ist wirklich aufregend", konstatierte Rechtsanwältin Lore Maria Peschel-Gutzeit, die vorher einen hochinteressanten historischen Rückblick geliefert hatte. Sie sprach sich für das Antragsmodell aus und fragte: "Wenn wir jeden nichtehelichen Vater von Geburt an mit Rechten ausstatten, machen wir da nicht ein neues Konfliktfeld auf?" Der Widerspruch folgte auf dem Fuß, mit dem Antragsmodell würde dem Kind kraft Definition ein Elternteil genommen. Über den "Unterhaltsanspruch von Mutter und Vater aus Anlass der Geburt" sprach Beatrix Weber-Monecke, Richterin am Bundesgerichtshof, und über "Patchworkfamilien – Folgen der seriellen Monogamie und Unterhalt" referierte Prof. em. Dr. Uwe Diederichsen. Beide Vorträge werden in Forum Familienrecht veröffentlicht.
RAin Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit
Prof. em. Dr. Uwe Diederichsen
Der Blick über den Tellerrand
Die "Aktuelle Stunde": Die Tagungsteilnehmer im Diskurs mit Helmut Borth, Präs. AG Stuttgart a.D.
In Belgien haben alle Eltern – verheiratet oder nicht – die gleichen Rechte. Das erfuhren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Herbsttagung während des Symposiums über das belgische Familienrecht. Außerdem wurden sie über weitere Besonderheiten des belgischen Rechts informiert, zum Beispiel über den Friedensrichter, der über Konflikte entscheidet, die vor der Scheidung liegen. Erst wenn das Scheidungsverfahren läuft, ist der Präsident des Gerichts erster Instanz zuständig, dann der Richter der Scheidungskammer und schließlich, wenn es um die Belange der Kinder geht, der Jugendrichter. Ein Familiengericht wie hierzulande gibt es im belgischen Recht nicht. Der Friedensrichter des Kantons Eupen, Ralf Schmidt, stellte diese sehr komplexe Struktur vor. Professor Walter Pintens von der katholischen Universität Leuven sprach über das belgische Scheidungsfolgenrecht und Rechtsanwältin Véronique Noirfalise aus Eupen erläuterte die spezielle Situation für die Arbeit der Familienanwälte in einem Land mit drei Sprachen – flämisch, französisch und deutsch.
Dem diesjährigen Symposium über das belgische Familienrecht waren in den vergangenen Jahren Veranstaltungen über Polen, die Schweiz, England und Frankreich vorangegangen. Der Blick über den Tellerrand des deutschen Familienrechts in andere europäische Staaten ist längst zur Tradition der alljährlichen Herbsttagungen geworden.
Ebenso hat es sich für die Familienanwältinnen und -anwälte als hilfreich erwiesen, sich die Forschungsergebnisse anderer Disziplinen nutzbar zu machen. In Hannover vermittelte Birgit Geissler, Soziologieprofessorin an der Universität Bi...