Herbsttagung und Mitgliederversammlung vom 22.–24.11.2012 in Bremen
Die besonders schwierige Situation der Kinder im Familienrecht stand im Mittelpunkt der diesjährigen Herbsttagung der Familienanwältinnen und -anwälte. Etwa 350 Teilnehmer waren nach Bremen gekommen, um mit Kolleginnen und Kollegen Erfahrungen auszutauschen und sich – vor allem – rundum über die verschiedensten Problembereiche zu informieren.
Cash and Care – Das Kind zwischen den Eltern
Von einem "Wechselmodell" spricht man, wenn beide Elternteile sich nach der Scheidung die Betreuung ihrer Kinder annähernd gleich teilen, wenn sie im regelmäßigen Turnus mal bei der Mutter, mal beim Vater sind, bei beiden Elternteilen zum Beispiel ein Kinderzimmer haben und auch sonst in etwa gleich behandelt werden. Wenn das Einkommen beider Elternteile etwa gleich ist, dann ist diese Lösung unproblematisch. Aber die Tücken liegen im Detail, das stellte Prof. Dr. Kirsten Scheiwe von der Universität Hildesheim in ihrem Vortrag klar. Erstes Problem – das Wechselmodell ist teurer, es bringt Armutsrisiken mit sich. Es fordert mehr Engagement und Verständigungsbereitschaft der Eltern, also ein breites Betätigungsfeld für die Anwältinnen und Anwälte. Die gemeinsame elterliche Sorge im Wechselmodell strahlt auch ins Sozialrecht aus. Weil das Kind ja zwei Wohnsitze hat, kann es Schwierigkeiten beim Wohngeld geben. Ebenso verhält es sich beim Steuerrecht, das eben nur einen Lebensmittelpunkt für das Kind kennt. Kirsten Scheiwe ist Juraprofessorin an einer Erziehungs- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät, in ihrem Vortrag betonte sie, dass es bei den notwendigen Elternvereinbarungen im Wechselmodell genau wie im Streit um den Unterhalt immer darum gehen müsse, die Interessen des Kindes zu berücksichtigen.
Der geschäftsführende Ausschuss der ARGE Familienrecht auf der Mitgliederversammlung.
Zum Wohle des Kindes
Nicht nur bei Trennung und Scheidung ist vor allem die Situation der Kinder im Familienrecht besonders schwierig. "Wenn es um die elterliche Sorge der nicht miteinander verheirateten Eltern geht, kommt es häufig zu Konflikten, die auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden. Dieselben Auswirkungen haben die zahlreichen Reformen im Familienrecht", sagte Rechtsanwältin Eva Becker, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im DAV. Die Unterhaltsrechtsreform von 2008 ist ein Dauerbrenner. Die Rechtslage ist nach wie vor unsicher, es wird von Fall zu Fall entschieden, das bringt eine schwierige Beratungssituation für die Familienanwälte mit sich. "Bei allem Gezerre um das Geld dürfen wir nicht die Belange der Kinder aus den Augen verlieren", sagte Rechtsanwältin Eva Becker. "Für die Anwältinnen und Anwälte der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht steht das Wohl des Kindes im Vordergrund", betonte die Anwältin. Und das zog sich wie ein roter Faden durch die Veranstaltung – ob es bei den einzelnen Vorträgen und Diskussionsforen um das richtige Übertragen und Vererben ging, um den Verfahrensbeistand vor Gericht, um das Spannungsfeld Betreuung – Unterhalt oder um den Sachverständigen im Sorgerechtsverfahren – stets wurde nach den besonderen Kindesinteressen gefragt. Das wurde besonders bei dem Vortrag des Göttinger Diplom-Psychologen Soner Tuna deutlich, der über "Kultur und Religion – Begutachtung bei Migrationshintergrund" sprach.
Blicke über den Tellerrand
Diesmal war der Tagung ein Symposium über das türkische Familienrecht vorangestellt. Der Blick über den Tellerrand des deutschen Familienrechts in andere europäische Staaten ist seit Jahren der Auftakt zur Herbsttagung. In den vergangenen Jahren gab es Veranstaltungen über Polen, die Schweiz, England, Frankreich, Belgien, Griechenland und Italien.
Aber nicht nur geographisch und politisch, auch zwischen den verschiedenen Fachdisziplinen bieten die Herbsttagungen der Familienanwälte ein ausgezeichnetes Forum für den Informations- und Meinungsaustausch. Richterinnen und Richter, Psychologen und Soziologen förderten den Diskurs zwischen Wissenschaft und Praxis. Die Diskussionen verliefen mitunter auch kontrovers. Dr. Cornelia Holldorf, Vizepräsidentin des Amtsgerichts Pankow-Weißensee in Berlin, hatte sich zum Beispiel unter dem Motto "Das nicht Verhandelbare ist verhandelbar" dafür ausgesprochen, die Eltern im Sorgerechtsverfahren zu einer elterlichen Vereinbarung vor Gericht zu bewegen, damit sie ihre Zukunft dann weiter selbst erarbeiten. Hiergegen gab es energischen Widerspruch aus der Anwaltschaft und auch Isabell Götz, Richterin am OLG München, merkte an: "Beteiligte, wenn sie zu Gericht kommen, haben auch den Anspruch zu sagen, wir streiten uns jetzt in einem solchen Maße, dass wir nicht an einen Tisch sitzen wollen. Und dann ist es meine Rolle als Richterin, diesen Streit zumindest vorläufig zu befrieden. Also manchmal ist meine Rolle, sofort zu entscheiden und nicht, es hinauszuschieben."
Erzeuger und Väter
Mit einer Debatte um die Rechte der biologischen Väter endete die Herbsttagung der Familienanwälte. Unter d...