BGB § 1671 Abs. 1
Leitsatz
Die Beachtlichkeit des Kindeswillens bedeutet nicht, dass Entscheidungskompetenz und -verantwortung auf das Kind "abgewälzt" werden. Der geäußerte Kindeswille bleibt ein Gesichtspunkt im Rahmen des übergeordneten Entscheidungsmaßstabs des Kindeswohles, also des "wohlverstandenen Kindesinteresses", weswegen es diese Interessen auch rechtfertigen können, von einem grundsätzlich nachvollziehbaren Kindeswillen abzuweichen (hier: ausnahmsweise Unbeachtlichkeit des Willens einer 13-Jährigen, der schwankend und unentschlossen geäußert und potentiell durch Parteinahme zugunsten eines Elternteils beeinflusst ist sowie sich maßgebend nicht gegen die Mitsorge, sondern gegen Umgänge des Kindesvaters richtet).
OLG Köln, Beschl. v. 28.3.2019 – 10 UF 18/19 (AG Jülich)
Aus den Gründen
Gründe: [1] Die zulässige Beschwerde ist unbegründet; daher kommt auch die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht in Betracht, weil die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat, § 76 Abs. 1 FamFG, § 114 ZPO. Das Amtsgericht hat zu Recht den Antrag auf Übertragung der alleinigen Sorge für die Kinder B und C zurückgewiesen.
[2] Maßstab der Entscheidung ist nach § 1671 Abs. 1 BGB das Kindeswohl. Bei der hiernach gebotenen zweistufigen Prüfung hat das Amtsgericht zu Recht auf der ersten Stufe angenommen, dass bereits die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht dem Kindeswohl entspräche. Zwar können die Eltern das gemeinsame Sorgerecht nur dann weiterhin ausüben, wenn sie – als unverzichtbare Voraussetzung hierfür – auch Kooperationsbereitschaft zeigen, also den Willen, die Verantwortung für das Kind auch nach der Trennung zusammen zu tragen (BVerfG, Urt. v. 3.11.1982 – 1 BvL 25/80, FamRZ 1982, 1179; BVerfG, Beschl. v. 18.12.2003 – 1 BvR 1140/03, FamRZ 2004, 354).
[3] Die Notwendigkeit ausreichender Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft bedeutet jedoch nicht, dass die gemeinsame elterliche Sorge bereits dann abzulehnen wäre, wenn die Gefahr von Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen der Eltern besteht oder sich bereits in der Vergangenheit an dem einen oder anderen Punkt Konflikte entzündet haben und streitig ausgetragen wurden (OLG Naumburg, Beschl. v. 6.8.2014 – 3 UF 130/14, FamRZ 2015, 763). Fehlende Kooperation der Eltern kann nur dann zum Anlass der Aufhebung eines gemeinsamen Sorgerechts gemacht werden, wenn die begründete Annahme besteht, dass die Kindeseltern eine dem Kindeswohl dienende gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge nicht gewährleisten können; eine (selbst heillose) Zerstrittenheit der Eltern als solche allein genügt hierfür nicht (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 11.3.2008 – 4 UF 119/07, NJW-RR 2008, 1319; Senat, Beschl. v. 6.1.2016 – 10 UF 162/15, juris).
[4] Die (maßgebend aus der Vergangenheit der Paarbeziehung resultierenden) Differenzen, die zwischen den Elternteilen noch bestehen mögen, stehen indes einer dem Kindeswohl entsprechenden gemeinsamen Ausübung der Elternverantwortung, die lediglich ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge voraussetzt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.12.2003 – 1 BvR 1140/03, FamRZ 2004, 354; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.3.2015 – 18 UF 304/14, n.v.), vorliegend nicht entgegen. Konkrete und maßgebende Streitigkeiten in Angelegenheiten elterlicher Sorge sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich; maßgebend streiten die Eltern um die Ursache für die Haltung B’s, derzeit den Kontakt zum Vater abzulehnen. Schwierigkeiten bei der Abstimmung von Sorgerechtsfragen werden derzeit von der Kindesmutter – und sie wiederholend auch von B – lediglich vor dem Hintergrund befürchtet, dass beide unterstellen, der Kindesvater könne die gemeinsame Sorge als "Druckmittel" zur neuerlichen Kontaktanbahnung nutzen. Konkrete Anhaltspunkte hierfür bestehen indes nicht.
[5] Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens der Antragstellerin – die maßgebend behauptet, B lehne die gemeinsame Sorge ab – hat der Senat keinen Anlass davon auszugehen, dass das Kindeswohl die Aufhebung der gemeinsamen Sorge erfordere.
[6] Für die elterliche Sorge hinsichtlich C bringt schon die Beschwerde nichts vor, was eine vom Amtsgericht abweichende Entscheidung rechtfertigen würde. Weder – wie ausgeführt – Elternkonflikte noch der Kindeswille stehen der Aufrechterhaltung der gemeinsamen Sorge für C entgegen.
[7] Auch hinsichtlich B ist jedoch mit dem Amtsgericht, auf dessen Begründung insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, davon auszugehen, dass es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge zu verbleiben hat.
[8] Die Beschwerde, die zur Begründung ihrer abweichenden Ansicht allein auf den Willen B’s abstellt, verkennt insoweit, dass die Beachtlichkeit des Kindeswillens nicht bedeutet, dass Entscheidungskompetenz und -verantwortung auf das Kind "abgewälzt" werden. Der geäußerte Kindeswille bleibt ein Gesichtspunkt im Rahmen des übergeordneten Entscheidungsmaßstabs des Kindeswohles, also des "wohlverstandenen Kindesinteresses" (BGH, Beschl. v. 28.4.2010 – ...