Der BGH beschränkt sich aber nicht auf die Entscheidung des streitigen Auskunftsantrages, sondern gibt zusätzlich wertvolle Hinweise für die unterhaltsrechtliche Behandlung dieser Fälle.
Es geht bei den einschlägigen Fällen um unterhaltspflichtige Eltern, deren Einkünfte oberhalb der Einkommensgrenze des Düsseldorfer Tabelle von 5.500 EUR (im Jahr 2020) liegen. Den Lösungsansatz, die Düsseldorfer Tabelle für diese höheren Einkünfte entsprechend fortzuschreiben, hat der BGH in älteren Entscheidungen abgelehnt. Daher musste das minderjährige Kind bei hohen Einkünften des unterhaltspflichtigen Elternteils seinen Bedarf konkret begründen. Daran hält der BGH nicht mehr uneingeschränkt fest.
Nach § 1610 Abs. 1 BGB richtet sich der Bedarf minderjährige Kinder nach der Lebensstellung des Kindes, die sich regelmäßig bis zum Abschluss seiner Ausbildung von seinen Eltern ableitet. Der BGH stellt hier nochmals klar, dass es nach seiner neueren Rechtsprechung auch beim Unterhalt minderjähriger Kinder dabei auf die Lebensstellung beider Eltern ankommt.
Diesem Gedanken ist zuzustimmen. Hier empfiehlt sich – wie regelmäßig im Unterhaltsrecht – ein vergleichender Blick in eine intakte Familie. Auch dort partizipieren der Kinder am Einkommen beider Eltern; ihr "kindlicher Lebensstandard" wird also maßgeblich von der Lebensstellung beider Eltern bestimmt. Die Auflösung der Lebensgemeinschaft ihrer Eltern durch Trennung oder Scheidung gibt keinen Grund, von diesem Ansatz abzuweichen.
Der BGH stellt weiter klar, es müsse auch bei höheren Einkünften der Eltern sichergestellt bleiben, dass Kinder in einer ihrem Alter entsprechenden Weise an einer Lebensführung entsprechend der besonders günstigen wirtschaftlichen Situation ihrer Eltern teilhaben.
Dabei ist nicht maßgeblich, ob das Kind an diesem Lebensstandard tatsächlich teilgenommen hat. Eine vorausgegangene Gewöhnung des Kindes an den Lebensstandard seiner Eltern, die durch den Unterhalt abgesichert werden müsse, ist daher nicht erforderlich.
Auch hier ist dem BGH zuzustimmen: Denn auch dann, wenn das Kind von Geburt an bei seinem alleinerziehenden Elternteil gelebt hat, hat es nie tatsächlich unmittelbar am Lebensstandard seines barunterhaltspflichtigen Elternteils teilgenommen, sondern nur mittelbar über dessen Unterhaltszahlungen daran partizipiert.
Auf der anderen Seite wurde sein Bedarf aber nicht nur allein nach den Unterhaltsleistungen des außerhalb der Familie lebenden "Zahl-Elternteils" bestimmt, sondern auch durch den Naturalunterhalt geprägt, den der betreuende Elternteil zusätzlich gewährt.
Der Bedarf des Kindes wird dabei auch nicht auf einen bestimmten Stichtag festgeschrieben, sondern ist dynamisch angelegt. So ist ein Kind etwa nicht gehindert, nach Trennung der Eltern einen altersbedingt erhöhten Bedarf oder mit zunehmendem Alter erstmals entstandene Bedarfspositionen geltend zu machen. Ebenso profitiert das Kind – anders als der geschiedene Ehegatte nach dem Stichtag für den Ehegattenunterhalt – von einem späteren Karrieresprung des unterhaltspflichtigen Elternteils und hat Anteil am Splittingvorteil aus einer von diesem geschlossenen neuen Ehe.
Die Höhe des so festgesetzten Bedarfes darf aber nicht mit dem vom barunterhaltspflichtigen Elternteil geschuldeten Barunterhalt gleichgesetzt werden. Auch wenn sich der Bedarf minderjähriger Kinder nach der Lebensstellung beider Eltern richtet, ist die Unterhaltspflicht des einzelnen Elternteils – so der BGH – auf den Betrag begrenzt, den der barunterhaltspflichtige Elternteil aufgrund des von ihm erzielten Einkommens zahlen muss. Daher kann in der Fallkonstellation des sogenannten Residenzmodells der Minderjährigenunterhalt in der Regel allein aufgrund des vom Barunterhaltspflichtigen erzielten gegenwärtigen Einkommens ermittelt werden.