Um das aufgezeigte strukturelle "Dilemma" zu lösen, stehen nur zwei, bereits früher diskutierte Möglichkeiten zur Verfügung:
a) Verschiedene Lösungsansätze
Einmal käme in Betracht, erneut – im Anschluss an die letzte, im Jahr 2018 vorgenommene Korrektur – die unterste Einkommensgruppe aus der Tabelle "herauszuschneiden" und das Eingangseinkommen der untersten Gruppe auf diese Weise anzuheben. Zum anderen wäre denkbar, die Zahl der Berechtigten, deren Unterhaltsbedarf durch die ausgewiesenen Tabellensätze abgedeckt werden sollen, von bislang zwei auf nur noch einen Berechtigten zu begrenzen. Beide Ansätze weisen Nachteile auf:
Das "Herausschneiden" der untersten Einkommensgruppe hatte 2018 zu heftiger Kritik geführt. Damit verbunden wären voraussichtlich Verwerfungen, die zu einer größeren Zahl von Abänderungsverfahren führen könnten. Hinzukäme das Problem, dass auf diese Weise ein immer größer werdender Anteil von Unterhaltsschuldnern mit den von ihnen erzielten (geringen) Einkünften nicht mehr von der Unterhaltstabelle abgebildet würde: Die damit verbundene Aussage, das eigene, vom Unterhaltsschuldner möglicherweise aus einer Vollzeittätigkeit generierte Einkommen reicht nicht mehr aus, um davon den Lebens- (bar-) bedarf des eigenen Kindes abzudecken, kann in psychologischer Hinsicht durchaus belastend wirken.
Ein erneutes Absenken der Anzahl der Unterhaltsberechtigten zöge ebenfalls einen sehr großen, massiven – unerwünschten – Eingriff in die Tabellenstruktur nach sich. Gleichzeitig entfiele damit das bislang mögliche "Feintuning" innerhalb der Tabelle durch ein Herauf- oder Herabstufen in eine andere Einkommensgruppe. Zudem ist unsicher, ob ein solcher "Eingriff" mit den sozialen Realitäten hinreichend in Einklang stünde. Denn neben einem Kind ist vom Unterhaltsschuldner häufig entweder noch ein Ehegatte/Partner oder ein weiteres Kind zu versorgen. Und im Anbetracht der geplanten, neuen Unterhaltsrechtsreform ist schließlich zu bedenken, dass die Absenkung von zwei auf lediglich noch einen Berechtigten der letzte verbliebene "Joker" ist, der vielleicht besser zurückgehalten wird, um mehr "Spielraum" für eventuell erforderliche Änderungen in der Tabellenstruktur nach Inkrafttreten der Unterhaltsrechtsreform zu haben.
b) Die beschlossene Lösung
Die Unterhaltskommission und die Vertreter der Oberlandesgerichte haben sich deshalb vorläufig gegen eine Reduzierung der Anzahl der Unterhaltsberechtigten ausgesprochen.
Dafür werden jedoch die Grenzen der Einkommensgruppen geringfügig – um 200 EUR – hoch gesetzt. Es wurde bewusst ein eher geringer Betrag gewählt, um nicht erneut Irritationen ähnlich denjenigen des Jahres 2018 aufkommen zu lassen, um die Zahl der Abänderungsfälle möglichst niedrig zu halten und um zu vermeiden, dass es durch ein Herabsinken aus der bisherigen Gruppe 2 (bislang: 1.901 EUR bis 2.300 EUR/Monat) in die neue Gruppe 1 (bis zu 2.100 EUR monatliches Nettoeinkommen) zu eventuellen Unterhaltsverkürzungen kommt: Dadurch, dass nicht nur die obere Grenze der Einkommensgruppe verschoben, sondern zugleich auch die Bedarfssätze in der ersten Gruppe deutlich ansteigen, besteht jedoch nur ein geringes Risiko einer Unterhaltskürzung.
Diskutiert wurde, ob die Anhebung der oberen Einkommensgrenze um 200 EUR linear über alle Einkommensgruppen hinweg erfolgen soll oder ob der Anstieg im "Premiumsegment" der Tabelle, etwa ab der 9. oder 10. Tabellengruppe, abgeflacht wird oder gänzlich auslaufen soll. Damit wäre es bei der bisherigen, seit Januar 2022 geltenden Einkommenshöchstgrenze von 11.000 EUR/Monat geblieben. Vorteil einer solchen Abflachung im oberen Tabellenbereich wäre weiter, dass es auf diese Weise zu einer grundsätzlich wünschenswerten Unterhaltsbegrenzung im "Luxussegment" käme: Das deutsche Recht würde damit der Entwicklu...