aa) Art des Unterhalts
Im Rahmen des Verwandtenunterhalts wird ein überobligatorisch erzieltes Einkommen nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles gar nicht, nur teilweise oder voll angerechnet.
Liegt eine erhöhte Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs. 2 BGB vor, werden z.B. Nebentätigkeiten oder Überstunden zur Sicherung des Mindestunterhalts im Regelfall als zumutbar angesehen und die Einkünfte deshalb voll angesetzt. Geht es dagegen um höheren Bedarf, sind die Anforderungen niedriger.
Beim Ehegattenunterhalt ist die neben einer vollschichtigen Tätigkeit ausgeübte Nebentätigkeit immer dann unzumutbar, wenn sie jederzeit beendet werden kann. Hier ist – anders als beim Unterhalt für minderjährige Kinder – regelmäßig keine Zusatzarbeit neben einer Vollzeittätigkeit erforderlich, auch nicht bei beengten Verhältnissen.
Im Mangelfall bestehen erhöhte Anforderungen, was eine Erwerbstätigkeit i.d.R. als zumutbar erscheinen lässt.
bb) Überstunden und Sonderzuschläge
Eine Anrechnung solcher Einkünfte ist dann gerechtfertigt, wenn diese berufstypisch sind und in geringem Umfang anfallen. Ist der Umfang höher, wird der Verdienst wie ein Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit behandelt mit der Folge, dass der Mehrverdienst um einen gewissen Abschlag zu verringern ist.
cc) Nebentätigkeiten
Hier spielt der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit eine entscheidende Rolle. Ebenso wie bei der Berücksichtigung von Überstunden richtet sich der Umfang der Anrechnung nach den Umständen des Einzelfalles. Eine Mehrarbeit ist bei einer nur teilschichtigen Tätigkeit eher zumutbar, nicht dagegen ein Verzicht auf den Jahresurlaub.
Zu berücksichtigen sind Arbeitsschutzvorschriften und die dortigen Obergrenzen; nach § 3 ArbZG darf ein Arbeitnehmer grundsätzlich nicht mehr als 8 Stunden pro Werktag arbeiten.
Bei gesteigerter Unterhaltspflicht gemäß § 1603 Abs. 2 BGB gelten strenge Anforderungen; allerdings ist auch hier eine zeitliche Belastung durch die Ausübung eines Umgangsrechts mit dem Kind zu beachten.
Bei bestimmten Berufsgruppen oder bei Selbstständigen können Zusatzarbeiten als Bestandteil der Tätigkeit angesehen werden, z.B. in Form einer Gutachter- oder Prüfertätigkeit. Auch hier ist entscheidend, ob die Zusatztätigkeit ohne Folgen beendet werden kann.
dd) Tätigkeit jenseits der Altersgrenze
Eine generelle Nichtanrechnung scheidet hier aus, und zwar schon deshalb, weil zu beobachten ist, dass häufig – insbesondere bei Selbstständigkeit – auch jenseits der Altersgrenze noch gearbeitet wird. Als Grundregel kann hier festgehalten werden, dass eine Arbeit im Ruhestand auch für einen Selbstständigen oder Freiberufler im Regelfall überobligatorisch und das nur dann anders zu sehen ist, wenn keine ausreichende Altersvorsorge betrieben wurde.
Nur scheinbar ist ein Ausnahmefall dann gegeben, wenn Zusatzarbeiten bei bestimmten Berufsgruppen typischer Bestandteil ihrer Tätigkeit sind (Prüfer- oder Gutachtertätigkeit) oder sich der Beruf aus mehreren Tätigkeiten zusammensetzt (Abgeordneter und Rechtsanwalt; Arzt und Gutachter) und insoweit eine einheitliche Tätigkeit vorliegt, so dass sich der Betreffende nicht auf eine Unzumutbarkeit der Zusatztätigkeit berufen kann (s.o. unter cc)).
Das ändert nichts daran, dass auch hier eine überobligatorische Tätigkeit vorliegt, wenn jenseits der Altersgrenze gearbeitet wird. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob diese Tätigkeit jenseits der Altersgrenze üblich ist; entscheidend ist, dass auch ein Selbstständiger seine Tätigkeit nach Erreichen der Altersgrenze jederzeit beenden kann.
Eine andere Frage ist dagegen, wie das tatsächlich erzielte Einkommen unterhaltsrechtlich zu behandeln ist. In einer Einzelfallprüfung wird untersucht,
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warum vom Pflichtigen trotz Altersrente weiter gearbeitet wird (z.B. Freude an der Tätigkeit; Überschuldung; fehlende ausreichende Altersversorgung; Umfang der Belastung bei Fortführung der Tätigkeit, Gesundheitszustand), |
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spiegelbildlich, inwieweit der Bedürftige auf eine Fortzahlung des bisherigen Unterhalts angewiesen ist. Hier spielt eine Rolle, ob auch beim Bedürftigen schon der Rentenfall eingetreten ist und er über den Versorgungsausgleich eine zusätzliche Altersversorgung erhalten hat. |