1. Maßstab
a) Allgemeines
Das Gesetz definiert nicht, wann eine Tätigkeit unzumutbar ist; § 1577 Abs. 2 BGB setzt diese Unzumutbarkeit vielmehr voraus. Eine Tätigkeit ist dann unzumutbar, wenn für ihre Ausübung keine Obliegenheit besteht. Der sie Ausübende ist dann unterhaltsrechtlich nicht gehindert, die Tätigkeit jederzeit zu beenden.
Es handelt sich hier allerdings um einen Schluss von der Rechtsfolge auf die Ausgangstatsache, nicht aber um eine eigentliche Begründung. Deshalb ist die rechtliche Folge nicht das geeignete Kriterium. Der BGH spricht von einer "überobligatorischen Belastung", ohne diese an den individuellen Lebensverhältnissen der Beteiligten zu konkretisieren. Ob Zumutbarkeit besteht oder nicht, richtet sich nach § 1574 Abs. 2 BGB, der durch die Tatbestände der §§ 1570 bis 1573 BGB konkretisiert wird.
b) Dynamik
Durch eine Trennung ändern sich die Lebensverhältnisse der Beteiligten. Die Grenze der Zumutbarkeit einer Tätigkeit ist deshalb nicht statisch, sondern kann sich verändern. Belastungen können sich durch Trennung erhöhen, durch Älterwerden von Kindern verringern; hier kann man allerdings eher von "Wellenbewegungen" in Abhängigkeit von der kindlichen Entwicklung sprechen als von einem linearen Vorgang.
c) Gesetzesreform zum 1.1.2008
Der Gesetzgeber hat mit der Unterhaltsrechtsreform der deutlichen Zunahme der beiderseitigen Erwerbstätigkeit Rechnung getragen und u.a. den Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung (§ 1569 BGB) gestärkt, was sich naturgemäß auf § 1577 Abs. 2 BGB auswirken muss.
2. Indizwirkung
Im Grundsatz wird eine tatsächlich ausgeübte Erwerbstätigkeit im Zweifel als zumutbar angesehen. Allerdings ist regelmäßig zu überprüfen, ob sich durch die Trennung veränderte Umstände ergeben haben, die eine andere Beurteilung rechtfertigen. Zu unterscheiden ist der Fall der Fortsetzung einer bisherigen Tätigkeit nach Trennung von der Situation, in der diese frühere Tätigkeit nach der Trennung beendet wird.
a) Frühere Tätigkeit wird nach Trennung beibehalten
Die Beibehaltung der früheren Tätigkeit auch nach Trennung ist grundsätzlich als Indiz für die Zumutbarkeit der Tätigkeit zu werten. Allein durch die Trennung tritt keine Unzumutbarkeit ein.
Das Ergebnis ist nicht unbillig, denn die – auch nach Trennung trotz Kindesbetreuung weiterarbeitende – Ehefrau hat ohne Weiteres die Möglichkeit, konkrete Erschwernisse darzulegen mit der Folge, dass dann u.U. eine Unzumutbarkeit anzunehmen ist. Das entspricht der Situation beim trennungsbedingten Mehrbedarf, der ebenfalls konkret dargelegt werden muss. Auch die Dauer der während des Zusammenlebens ausgeübten Tätigkeit und der seinerzeit erforderliche zeitliche Aufwand sind zu berücksichtigen, des Weiteren der Lebensplan der Eheleute (s. dazu auch unter Ziffer IV. 2).
b) Frühere Tätigkeit wird nach Trennung beendet
In diesem Fall ist zu prüfen, ob die frühere Tätigkeit auch nach der Trennung zumutbar ist und ob eine entsprechende Erwerbsobliegenheit besteht. Zu prüfen sind hier die Kindesbelange (Umfang des Betreuungsbedarfs, Gesundheitszustand, Entwicklungsstand usw.), die Regelung der Betreuung während des früheren Zusammenlebens und die Qualität der wirtschaftlichen Verhältnisse.