Dr. Susanne Offermann-Burckart
Diese Frage steht in engem Zusammenhang mit der objektiven oder subjektiven Sichtweise bei der Einschätzung des Vorliegens widerstreitender Interessen.
Diejenigen, die auf die objektive Interessenlage abstellen, sind üblicherweise auch der Meinung, das Einverständnis der Beteiligten mit dem Vorgehen des Rechtsanwalts könne einen bestehenden Interessengegensatz nicht aufheben. So führt Feuerich aus, das Verbot der Doppelvertretung unterliege grundsätzlich nicht der Verfügungsmacht der Parteien, weil es nicht nur ihrem Schutz, sondern daneben dem Vertrauen in die Anwaltschaft und in die Funktion der Rechtspflege diene.
Diejenigen, die (auch) auf die subjektive Interessenlage abstellen, nehmen je nach Ausprägung an, das Einverständnis der Mandanten könne das entgegengesetzte Interesse und damit die Pflichtwidrigkeit ausnahmsweise (z.B. bei Vergleichsverhandlungen und subjektiver Begrenzung des Mandats) beseitigen oder stehe der Pflichtwidrigkeit definitiv entgegen, soweit der Streitstoff für die Parteien disponibel sei.
Aber auch, wer eine subjektive Sichtweise ablehnt und deshalb von einem Interessengegensatz ausgeht, kann noch die Auffassung vertreten, dass das Einverständnis die Pflichtwidrigkeit der Interessenkollision beseitigt und damit tatbestandsausschließend wirkt. Diese Ansicht vertritt etwa Grunewald, die in Zusammenhang mit der Interessenlage einer streng objektiven Sichtweise folgt, bei der Frage nach der Möglichkeit eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses (auch für den Einzelanwalt) aber auf den neuen § 3 Abs. 2 BORA verweist. Bei fehlendem Einverständnis sei, so Grunewald wiederum im Umkehrschluss, an die Bestimmung, ob ein Interessengegensatz vorliege, ein strenger Maßstab anzulegen. Denn wenn die Mandanten nicht zustimmten, wolle wenigstens eine der betroffenen Seiten die gemeinsame Vertretung nicht akzeptieren. Dann drohe in jedem Fall ein Verlust des Ansehens der Anwaltschaft und damit zugleich eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege.
Auch die genau gegenteilige Auffassung (subjektive Bestimmung des Interesses – ja, tatbestandsausschließendes Einverständnis – nein) wird vertreten. Gillmeister, der, wie gezeigt, ein Anhänger der "subjektiven Lehre" ist, verneint die Möglichkeit des tatbestandsausschließenden Einverständnisses. Die Pflichtwidrigkeit des Dienens werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Partei mit der Vertretung der Gegenpartei einverstanden sei. Dies gelte auch, wenn das vorausgegangene Mandat beendet sei. Das Schutzgut des § 356 StGB stehe nicht zur Disposition der beteiligten Parteien, sodass das Einverständnis in die Pflichtwidrigkeit die Tatbestandsvoraussetzung nicht ausschließen könne. Deshalb könne die Einwilligung einer Partei das interessengegensätzliche Dienen auch nicht rechtfertigen. Vom Einverständnis mit der Wahrnehmung widerstreitender Interessen zu unterscheiden sei allerdings – dies ist auf der Grundlage eines subjektiven Verständnisses zwingend – die Beseitigung widerstreitender Interessen durch die beteiligten Parteien. Die Interessenautonomie gestatte dem Mandanten, den Mandatsgegenstand so zu bestimmen und einzugrenzen, dass ein Interessengegensatz ausgeschlossen sei.