Jörg Kleinwegener
Vor einigen Jahren ereignete sich in einer Sitzung des AG Lemgo Folgendes: Der Beklagten-Vertreter rügte den im Termin zur mündlichen Verhandlung überreichten Schriftsatz des Klägervertreters als "verspätet". Die Reaktion des Richters: "Sie benötigen eine Schriftsatzfrist?" Die Antwort: "Nein, ich rüge ausdrücklich Verspätung." Der Richter daraufhin: "Reichen Ihnen zwei Wochen?" Die ungeduldige Erwiderung: "Ich habe doch gesagt: Ich rüge Verspätung." Daraufhin der Richter: "Für das Protokoll: Der Beklagten-Vertreter erhält drei Wochen Schriftsatzfrist. Entscheidung sodann!"
Das vorstehende Beispiel aus der Praxis lässt sich dem Sinngehalt nach sehr gut auf die Problematik des § 1573 Abs. 5 BGB a.F. und den jetzigen § 1578b BGB n.F. übertragen. Zur Erinnerung: § 1573 Abs. 5 BGB a.F. beinhaltete die Möglichkeit der Befristung und Begrenzung bei dem Unterhaltsanspruch wegen Erwerbslosigkeit und Aufstockungsunterhalt. Die Norm gelangte in der Praxis kaum zu überragender Bedeutung, obwohl der BGH schon 2003 auf die verstärkte Anwendung hingewiesen hatte. Sie wurde dennoch meistens schlichtweg übersehen. Wenn sie nicht übersehen wurde, sondern argumentiert wurde, erlebte man als Anwalt doch sehr oft Richter, bei denen dies zu heftigen Heiterkeitsanfällen führte. Man bewegte sich außerdem auf unsicherem Boden. Anhaltspunkte bzw. Parameter für eine Befristung und eine Begrenzung bzw. Abschichtung gab es nicht. Man berücksichtige hier nur die – abschließende – tabellarische Übersicht über die seit dem 13.9.2001 diesbezüglich ergangenen Entscheidungen bei Schnitzler/Grandel, MAH Familienrecht, § 9 Rn 291. Mit dem "neuen" § 1578b BGB gelten die vorbezeichneten Gesichtspunkte für sämtliche Unterhaltstatbestände. Es stellt sich dann aber in der Praxis immer wieder die Frage, wenn es um die Abänderung von "Alttiteln" geht, warum nicht schon im Vorprozess nach § 1573 Abs. 5 BGB argumentiert worden ist, wenn dessen tatbestandliche Voraussetzungen vorlagen. Es stellt sich dann regelmäßig die Frage der Präklusion. Die Problematik wird zunehmend erkannt. Peschel-Gutzeit widmet ihr in "Unterhaltsrecht aktuell" sechs Seiten, Viefhues/Mleczko widmen ihr in "Das neue Unterhaltsrecht 2008" 252 Randnummern, wohingegen es in der Vorauflage gerade einmal 71 waren. Das Problem wird weiterhin heftig diskutiert werden müssen, wobei auf die hervorragenden und Lösungsmöglichkeiten aufzeigenden Ausführungen von Heumann in FF 2008, S. 484 ff. verwiesen werden darf. Es ist dabei nicht zu verkennen, dass in Anwaltskreisen, gerade aber auch in Richterkreisen, noch eine gewisse Unsicherheit besteht, ob nun die Präklusion eingreift oder nicht, wie auch durch die vom BGH jetzt immer wieder geforderte Einzelfallentscheidung Strukturen für eine zeitliche Begrenzung und Befristung nicht immer leicht erkennbar sind. Hier wird die Zeit jedoch für die Praktiker arbeiten, die sich nach Kenntnis des Verfassers zurzeit damit hilft, diese Punkte in Form eines Vergleichs zu regeln. Dass diese Vergleichsfreudigkeit nicht nur gebührenrechtliche Vorzüge hat, sondern auch eine spätere Abänderung erleichtert, weil die "Schranke" der Rechtshängigkeit der Abänderungsklage – und dann auch noch mit vorgeschaltetem PKH-Prüfungsverfahren – nicht greift, ist offensichtlich. Sind in einen solchen Vergleich die entsprechenden Parameter sorgfältig aufgenommen worden, ist auch eine spätere Abänderung leicht möglich. Voraussetzung ist also auch hier – wie immer – sorgfältiges Arbeiten. Dabei soll die Regressträchtigkeit von Vergleichen, auch wenn sie im Beisein des Mandanten und nach vorheriger Information abgeschlossen werden, nicht verkannt werden. Wer insoweit auf "Nummer sicher gehen" will, dem bleibt nur das Urteil.