Der Reformgipfel – Herbsttagung und Mitgliederversammlung in Bamberg
Der Reformgipfel – Herbsttagung und Mitgliederversammlung in Bamberg
Auf der Herbsttagung der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht in Bamberg vom 26. bis 28. November bildeten sich etwa 350 Anwältinnen und Anwälte fort. Die Reformen standen im Mittelpunkt der Tagung. Denn knapp zwei Jahre nach Inkrafttreten des neuen Unterhaltsrechts sind jetzt auch das System des Versorgungsausgleichs und das Zugewinnausgleichsrecht erneuert worden. Mit etwa 6.600 Mitgliedern ist die AG Familienrecht die größte aller Arbeitsgemeinschaften im DAV.
Reformen über Reformen
Vielen Familienanwältinnen und -anwälten rauchte schnell der Kopf angesichts der zahlreichen Neuerungen rund um das Scheidungsverfahren, die in den zahlreichen Vorträgen und Workshops vorgestellt wurden. Die Organisation des "Großen Familiengerichts", das "Beschleunigungsprinzip in Kindschaftssachen", "Das neue Verfahrensrecht in der Praxis", "Die neue Vereinbarungsfreiheit nach der Reform des Versorgungsausgleichs", "Die neuen Rechtsmittel im FamFG" waren u.a. die Themen der Veranstaltungen. "Es ist kaum ein Stein auf dem anderen geblieben", sagte Rechtsanwältin Ingeborg Rakete-Dombek, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht. "Jetzt gilt es, die richtigen Pfade im Reformdschungel zu finden." Namhafte Richter und Richterinnen, Notare, Rechtsanwälte und Universitätsprofessoren halfen dabei, zum Beispiel Dr. Isabell Götz, Richterin am Oberlandesgericht München, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Familiengerichtstags. Sie sprach über das neue Verfahrensrecht in der Praxis. Obwohl das FamFG noch jung ist, es trat am 1.9.2009 in Kraft, hatte sie einige Fälle zusammengetragen. Wer ihren Vortrag gehört hatte, wusste hinterher mehr über die Überleitungsvorschriften und über das Verfahren in Unterhalts- und Ehesachen.
Das Fortbildungsangebot der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht war wie immer anschaulich, praxisbezogen und vielfältig. "So kompakt kann ich mich sonst nirgendwo informieren", sagte eine Anwältin aus Berlin und war mit dieser Meinung nicht allein. Auch der Informationsaustausch mit anderen Berufsgruppen wie Richtern, Notaren, Psychologen und Hochschullehrern macht die Tagung besonders attraktiv.
Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen deswegen immer wieder, auch wenn der Weg noch so weit ist. Denn die Veranstaltung wandert durch die verschiedenen Teile Deutschlands, letztes Jahr fand sie in Potsdam statt, jetzt in Bamberg, nächstes Jahr wird sie in Hannover stattfinden.
Moral, Geld und Erfolgserlebnisse
Erstmalig wurden Entscheidungsprozesse bei Familienanwälten aus rechtspsychologischer Sicht beleuchtet. "Im Familienrecht gibt es unzählige psychologisch zu bewertende Faktoren", sagte Rechtsanwältin Ingeborg Rakete-Dombek. "Die Loyalitätskonflikte des Familienanwalts sind enorm und können zur Belastung werden." Dr. Revital Ludewig, Rechtspsychologin von der Universität St. Gallen, stellte ihre Forschungsergebnisse über die Berufsschwierigkeiten und Bewältigungsversuche der Familienanwälte vor. Besonderes Gewicht legte sie auf das Moraldilemma, das entstehen kann, wenn man sich gegenüber zahlreichen Werten verpflichtet fühlt, die man jedoch nicht alle gleichzeitig erfüllen kann. Zum Beispiel: "In einem Scheidungsfall will mein Mandant möglichst wenig Unterhaltsbeiträge an Frau und Kinder bezahlen." Oder: "Ich habe ein Mandat aus Loyalität gegenüber einem Freund übernommen, obwohl die Sache nicht gerechtfertigt war." Die Rechtspsychologin nannte zahlreiche weitere Fallkonstellationen zwischen Moral, Geld und Erfolgserlebnissen.
Scheidung auf Griechisch
Mit Polen fing es an, es folgten die Schweiz, England und Frankreich: In diesem Jahr befasste sich das Symposium, das wie schon in den vergangenen Jahren der Herbstversammlung vorangestellt wurde, mit Griechenland, dem die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht sich ganz besonders verbunden fühlt. Denn jedes Jahr bietet sie eine Fortbildung in Griechenland an, eine Veranstaltung, die sich immer größerer Beliebtheit erfreut. Auf dem Symposium führte Rechtsanwalt Hartmut Kilger, ehemaliger DAV-Präsident, ins Thema ein und sprach vom "Genius Loci", da doch Bamberg mit seiner fürstbischöflichen Residenz einst Zufluchtsort für König Otto von Griechenland wurde, der aus Bayern stammte. Anschließend gab es Einblicke in das griechische Familienrecht, u. a. durch Prof. Koutsouradis aus Thessaloniki.
Von der Billigkeit zur Beliebigkeit
Das neue Unterhaltsrecht, seit zwei Jahren ein Dauerbrenner, wurde kritisch unter die Lupe genommen. Es war auch Thema der "Aktuellen Stunde", mit der die Herbsttagung traditionell endete. In einem Streitgespräch kritisierte der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Dr. Hans-Ulrich Maurer, dass die Unterhaltsentscheidungen meist zu Lasten der geschiedenen Frauen gingen. Der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Frank Klinkhammer widersprach dem vehement und wies darauf hin, dass heute anders als früher die erste und die zweite Ehe gleichwertig behandelt werden müssten und es keine Ehen zweiter Klasse mehr geben dürfe. Auch plädierte der Karlsruher Richter dafür, dass die Oberlandesgerichte mehr Rev...