ZPO §§ 114 Satz 1, 115 Abs. 1 Satz 2;
Einer Prozesskostenhilfe beantragenden Partei können im Ausnahmefall fiktive Einkünfte zugerechnet werden, wenn sie rechtsmissbräuchlich handelt. Dabei ist eine rechtsmissbräuchliche Antragstellung nicht nur bei vorsätzlicher Herbeiführung oder Aufrechterhaltung der Bedürftigkeit gegeben. Sie liegt auch dann vor, wenn die Partei es offenkundig leichtfertig unterlässt, eine tatsächlich bestehende und zumutbare Erwerbsmöglichkeit zu nutzen, und ihr deshalb die Beseitigung ihrer Bedürftigkeit ohne weiteres möglich wäre. Davon wird regelmäßig nicht auszugehen sein, wenn die Partei Sozialleistungen nach dem SGB II oder SGB XII bezieht.
BGH, Beschl. v. 30.9.2009 – XII ZB 135/07 (OLG Nürnberg, AG Nürnberg)
Gründe:
I. [1] Mit Schriftsatz vom 9.5.2007 beantragte der Antragsgegner beim AG – Familiengericht – die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das zwischen den Parteien bereits rechtshängige Scheidungsverfahren einschließlich der Folgesache Versorgungsausgleich. Dabei legte er die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie den Bescheid der ARGE L vom 11.4.2007 vor, mit dem ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II) bewilligt worden waren. Das AG – Familiengericht – forderte den Antragsgegner auf, binnen zwei Wochen die "Eingliederungsvereinbarung mit der ARGE" vorzulegen und seine "Erwerbsbemühungen" sowie "die Zeiten der letzten Beschäftigung und Angaben des Verdienstes" darzulegen. Nachdem der Antragsgegner dieser Aufforderung nicht fristgerecht nachgekommen war, wies das AG – Familiengericht – den Prozesskostenhilfeantrag zurück. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners hob das OLG den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – auf und bewilligte ihm ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt E. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Bezirksrevisors, mit der er die Anordnung einer Ratenzahlungspflicht zu Lasten des Antragsgegners erstrebt.
II. [2] 1. Auf das Rechtsbeschwerdeverfahren sind nach Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG weiter die vor Inkrafttreten des FGG-RG geltenden Vorschriften anzuwenden. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil das Beschwerdegericht sie wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Daran ist der Senat gebunden (§ 574 Abs. 3 Satz 3 ZPO).
[3] a) Zwar kommt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen über die Prozesskostenhilfe unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rspr. (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nur in Betracht, wenn es um Fragen des Verfahrens der Prozesskostenhilfe oder der persönlichen Voraussetzungen ihrer Bewilligung geht (Senatsbeschl. v. 12.4.2006 – XII ZB 102/04 – FamRZ 2006, 939; BGH, Beschl. v. 8.1.2008 – VIII ZB 187/06 – FamRZ 2008, 781). Letzteres ist hier indessen der Fall. Das OLG hat die Rechtsbeschwerde wegen der Frage zugelassen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Prozesskostenhilfe beantragende Partei verpflichtet ist, Erwerbsbemühungen darzulegen.
[4] b) Der Bezirksrevisor ist auch unmittelbar postulationsfähig, ohne dass es einer Vertretung durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt bedarf. Er ist weder Partei noch Beteiligter oder beteiligter Dritter, sondern hat eine ihm durch § 127 Abs. 2 ZPO zugewiesene besondere Rechtsstellung, die dem Anwaltszwang nach § 78 ZPO nicht unterfällt (Senatsbeschl. v. 11.5.2005 – XII ZB 242/03 – FamRZ 2005, 1164).
(5] 2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht begründet. Gegen die Bewilligung ratenfreier Prozesskostenhilfe zugunsten des Antragsgegners bestehen keine rechtlichen Bedenken.
[6] a) Das OLG hat seine Entscheidung, die in FamRZ 2008, 159 veröffentlicht ist, im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Antragsgegner habe vorliegend keine Veranlassung gehabt, der Aufforderung des Amtsgerichts zur Vorlage der Eingliederungsvereinbarung sowie zur Auskunft über seine Erwerbsbemühungen und seine zuletzt ausgeübte Beschäftigung nachzukommen. § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO diene der Aufklärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, weshalb Nachfragen des Gerichts nur statthaft seien, soweit die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch dies erfordere. Vorliegend bestehe aber keine Veranlassung, die realen Arbeitsmöglichkeiten des Antragsgegners abzuklären. Fiktives Einkommen könne der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei nämlich nur zugerechnet werden, wenn es anderenfalls zu einer missbräuchlichen Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe käme. Solche Umstände seien hier nicht ersichtlich. Zwar sei der Antragsgegner erst 41 Jahre alt und zuletzt als Mechaniker beschäftigt gewesen. Allerdings ergebe sich aus dem Fragebogen zum Versorgungsausgleich, dass der Antragsgegner zuletzt im Juli 2004 Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt habe. Es könne deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Antragsgegner seiner Einkünfte begeben habe,...