Mallory Völker, Monika Clausius
Nimmt man die Beseitigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften ernst, dann ist fraglich, ob es in Deutschland noch lange bei den derzeitigen Adoptionsmöglichkeiten eingetragener Lebenspartner bleiben kann oder ob nicht die Einführung des gemeinsamen Adoptionsrechts eingetragener Lebenspartner kommen wird bzw. vielleicht sogar muss.
Dafür spricht schon der Umstand, dass viele Länder – nicht nur in Europa, sondern auch außerhalb – mittlerweile eingetragene Lebenspartner auch insoweit Ehegatten gleichgestellt haben. So ist die gemeinsame Adoption durch gleichgeschlechtliche (verheiratete) Paare beispielsweise zulässig in Schweden, dem Vereinigten Königreich, Spanien, Belgien , den Niederlanden und in Norwegen . Selbst in vielen US-Bundesstaaten, die sich bekanntlich schwer damit tun, Gleichgeschlechtlichen ein eigenes Rechtsinstitut zur Verfügung zu stellen, hat die Rspr. eine gemeinsame Adoption durch zwei Personen des gleichen Geschlechts zugelassen.
Dringender Reformbedarf wird in Deutschland in der Literatur von zahlreichen Autoren, v. a. aus dem wissenschaftlichen Bereich, reklamiert. Von den politischen Parteien verfolgen namentlich DIE GRÜNEN sowie die FDP eine dahingehende Reform. Durch mehrere Gesetzesinitiativen im Laufe der letzten Legislaturperiode haben sie ihr Anliegen verdeutlicht, die nach dem LPartÜbG noch verbliebenen Unterschiede zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft – auch im Hinblick auf ein fehlendes gemeinsames Adoptionsrecht – zu beseitigen. Der Gesetzentwurf der Bundestagsabgeordneten Beck u.a. fordert daher die Einfügung eines neuen Abs. 8 in § 9 LPartG mit folgendem Wortlaut:
Im Koalitionsvertrag der gegenwärtig regierenden Parteien ist die Angleichung der Rechtsstellung eingetragener Lebenspartner zwar enthalten. Dies gilt aber nur in Bezug auf Besoldung, Versorgung und Beihilfe. Eine Gleichstellung im Bereich Adoptionsrecht steht dort nicht auf dem Programm.
Dennoch hat sich politisch etwas bewegt, und zwar auf europäischer Ebene. Ein Argument gegen die Einführung des gemeinsamen Adoptionsrechts von eingetragenen Lebenspartnern lautete bislang immer, dass dem das Europäische Adoptionsübereinkommen des Europarats von 1967 (SEV-Nr. 058) entgegenstehe. Dies ist in der Sache zutreffend. Das Europäische Adoptionsübereinkommen wurde auch von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet und durch Gesetz vom 25.8.1980 (BGBl II, 1093) ratifiziert. Das Abkommen enthält in seinem Teil II (Art. 4 – 16) obligatorische Bestimmungen zur Ausgestaltung des nationalen Rechts der Mitgliedstaaten. Zu den Adoptionsbeteiligten enthält das Übereinkommen in Art. 6 Abs. 1 folgende Bestimmung:
Zitat
"(1) Die Rechtsordnung darf die Adoption eines Kindes nur zwei miteinander verheirateten Personen, ob sie nun gleichzeitig oder nacheinander annehmen, oder einer Person allein gestatten. ( … )."
Damit stand das Übereinkommen bislang der Einführung eines gemeinsamen Adoptionsrechts für andere Personen als Ehegatten entgegen. Staaten, die das Übereinkommen gezeichnet hatten, aber gleichwohl das gemeinsame Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Partnerschaften einführen wollten, wie z.B. Schweden, mussten das Übereinkommen vor ihrer Gesetzesänderung kündigen.
Dies ist nun nicht mehr erforderlich, da das Europäische Adoptionsübereinkommen zwischenzeitlich geändert worden ist. Das Ministerkomitee hat im Jahr 2008 eine revidierte Fassung des Übereinkommens (SEV-Nr. 202) beschlossen, die nunmehr zur Zeichnung aufgelegt ist. Die Neufassung eröffnet in Artikel 7 Abs. 2 ausdrücklich die Möglichkeit der Adoption für gleichgeschlechtliche Ehen oder registrierte Partnerschaften. Zahlreiche Mitgliedstaaten (z.B. Spanien, Belgien, Niederlande, Norwegen, Finnland, Portugal usw.) haben die revidierte Fassung bereits unterzeichnet.
Auch die Bundesrepublik müsste die revidierte Fassung unterzeichnen und ratifizieren, damit ein gemeinsames Adoptionsrecht durch Lebenspartner in Deutschland zugelassen werden kann. Dies ist bislang an den unterschiedlichen Auffassungen der Koalitionsparteien zu diesem Thema gescheitert. Nachdem aber am 4.11.2010 die Justizministerkonferenz empfohlen hat, die revidierte Fassung des europäischen Adoptionsübereinkommens von 2008 zu zeichnen, besteht eine gewisse Chance, dass die Zeichnung doch noch erfolgt.