Der Entscheidung des BGH ist insgesamt zuzustimmen.
Sie befasst sich mit der Frage, ob einem volljährigen Kind aus einer geschiedenen Ehe das Recht zusteht, seinen wiederverheirateten Vater, dessen Einkommen unterhalb des notwendigen Selbstbehalts liegt, in Anspruch zu nehmen, dass dieser ihm Informationen (Auskunft und Belege) über das Einkommen seines neuen Ehegatten zukommen lässt. Zwar besteht der Grundsatz, dass die Eingehung einer neuen Ehe nicht der Erstehe zugute kommen darf. Aber der Unterhaltsschuldner, der gegen seinen verdienenden Ehegatten einen Anspruch auf Taschengeld gemäß den §§ 1360, 1360a BGB hat, muss dieses Taschengeld für den Unterhalt seines erstehelichen Kindes einsetzen, so dass dem volljährigen Kind auch ein Auskunftsanspruch über das Einkommen der jetzigen Ehefrau des Unterhaltspflichtigen zusteht.
Das OLG München vertrat noch die Ansicht, dass es beim Familienunterhalt generell keinen Auskunftsanspruch gibt. Dies ergebe sich bereits aus der eindeutigen Regelung des § 1360a Abs. 3 BGB, wonach im Gegensatz zum Trennungsunterhalt (§ 1361 Abs. 4 BGB) und zum nachehelichen Unterhalt (§ 1580 BGB) gerade nicht auf die Vorschrift des § 1605 BGB verwiesen werde.
Demgegenüber bejaht nunmehr der BGH einen entsprechenden Auskunftsanspruch und begründet dies mit einem wechselseitigen Unterrichtungsanspruch der Ehegatten aus der neuen Ehe gemäß § 1353 BGB, der letztlich im Umfang einer Auskunftspflicht nach § 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB entspricht. Das ist zu begrüßen. Denn allein dadurch erlangt das volljährige Kind im Vorfeld evtl. gerichtlicher Auseinandersetzung alle notwendigen Informationen, um sich selbst darüber Klarheit zu verschaffen, ob es seinen wiederverheirateten Vater überhaupt auf Unterhalt in Anspruch nimmt. Die Klärung der maßgeblichen Einkommensverhältnisse des jetzigen Ehegatten des leistungsunfähigen Unterhaltsschuldners vermeidet das Risiko, entweder zu geringen Unterhalt geltend zu machen oder im Fall einer zu hohen Unterhaltsforderung bei einem teilweisen Unterliegen mit Kosten belastet zu werden.
Bei der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs über das Einkommen der jetzigen Ehefrau des Unterhaltsverpflichteten durch das ersteheliche volljährige Kind berücksichtigt der BGH die Besonderheiten des Familienunterhalts. Nach seiner Ausgestaltung ist der Familienunterhalt nicht auf die Gewährung einer – frei verfügbaren – laufenden Geldrente für den jeweils anderen Ehegatten, sondern vielmehr als gegenseitiger Anspruch der Ehegatten darauf gerichtet, dass jeder von ihnen seinen Beitrag zum Familienunterhalt entsprechend seiner nach dem individuellen Ehebild übernommenen Funktion leistet. Da der Auskunftsanspruch zusammenlebender Ehegatten nur dahin geht, den anderen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse in groben Zügen zu unterrichten, ist die Vorlage von Belegen oder sogar die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung über die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben nicht geschuldet. Denn diese Kontrollmöglichkeit widerspricht dem Wesen einer Ehe. Da der Unterrichtungsanspruch der zusammenlebenden Ehegatten eingeschränkt ist, kann auch der Auskunftsanspruch des volljährigen Kindes nicht weitergehen als der eigene Unterrichtungsanspruch der zusammenlebenden Ehegatten. Deshalb kann das volljährige Kind weder die Vorlage von Belegen noch die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung über die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben verlangen.
Diesem Anspruch des volljährigen Kindes auf Auskunft über das Einkommen der Ehefrau des unterhaltspflichtigen Beklagten steht auch nicht das Geheimhaltungsinteresse der Ehefrau des Unterhaltspflichtigen entgegen. Das Interesse des Auskunftsbegehrenden geht dem Geheimhaltungsinteresse des Auskunftspflichtigen oder Dritten grundsätzlich vor.
Harald Vogel, weiterer aufsichtführender Richter am Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg